© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 43/22 / 21. Oktober 2022

Umwelt
Ein Ende ohne Alternative
Volker Kempf

Ein Kernkraftwerk abzuschalten ist einfach – aber was folgt danach? Das bekommt nun auch das elsässische Fessenheim zu spüren, dessen großes AKW mit 1.840 Megawatt (MW) Leistung nach 42 Jahren Stromlieferung im Juni 2020 stillgelegt wurde. Die neue Perspektive hieß Technologiepark. Der Jubel darüber war auch auf badischer Seite groß, nahe gelegene Landkreise und Gemeinden kauften sich in einen deutsch-französischen Zweckverband ein. Das weiträumige Gebiet auf halbem Wege zwischen Freiburg im Breisgau und dem elsässischen Mülhausen bietet viel Natur, aber die sollte in der Euphorie geopfert werden. Doch die französische Bürokratie befand, das Gebiet sei für die Natur zu wertvoll, es müsse geschützt werden. Das war der Paukenschlag, die Rückkehr auf den Boden der Tatsachen. Das Geld für den Zweckverband ist zur Hälfte schon verbraucht, die andere Hälfte gibt es zurück. Der Zweckverband wurde aufgelöst.

Das elsässische AKW Fessenheim mit noch zehn Jahren Restlaufzeit wurde abgeschaltet.

Was wurden nicht alles für Pläne geschmiedet: „Grünen“ Wasserstoff aus Windkraft produzieren und Elektroauto-Akkus recyceln. Das ließ die Herzen auf deutscher Seite höher schlagen. Ein Pionierprojekt des Staatskonzerns Électricité de France (EDF) für die AKW-Entsorgung war auch im Gespräch, aber das „Technocentre Fessenheim“ kam im grün-schwarzen Ländle schlecht an. Auf linksrheinischer Seite hingegen wird beklagt, ein AKW mit noch zehn Jahren Restlaufzeit, das auch Strom nach Deutschland lieferte, sei viel zu früh abgeschaltet worden. Alternativ gibt es jetzt teuren Kohlestrom aus Deutschland. Da klingt auf französischer Seite verletzter Stolz durch. Das zwei Jahre jüngere AKW Philippsburg bei Karlsruhe wurde schon 2011 (Block I: 926 MW), bzw. 2019 (Block II: 1.468 MW) stillgelegt und beide Kühltürme 2020 gesprengt. Die geplante Bahnlinie von Freiburg über den Rhein nach Colmar bleibt als Begleitprojekt davon unberührt, nur daß auf deutscher Seite verpaßt wurde, rechtzeitig die nötigen EU-Fördergelder zu beantragen. Mit dem Post-Fessenheim-Prozeß läuft es nicht rund – mit Deutschland auch nicht.