© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 43/22 / 21. Oktober 2022

Kabinenklatsch
Im Abseits gelandet
Ronald Berthold

Deutschlands Journalisten schwärmen gern über die „Kult-Klubs“. In der Bundesliga haben sie dem 1. FC Union diesen Stempel aufgedrückt, im Unterhaus dem FC St. Pauli. Beide machten zuletzt negative Schlagzeilen. Die Berliner, weil Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán überraschend in der Alten Försterei auftauchte. Die Hamburger, weil deren Fans vor dem Derby gegen den HSV heftige Randale in der Innenstadt anzettelten.

Doch während die Eisernen in Ungnade fielen, weil sie den demokratisch gewählten Regierungschef eines EU-Landes ins Stadion ließen, wendete sich beim linksradikalen „Kiez-Klub“ schnell das Blatt. Denn der Verein kritisierte die Polizei wegen deren Einsatzes gegen die gewalttätigen Anhänger. Diese sind meist schon als Teilnehmer von Antifa-Demos erprobte Kämpfer in Straßenschlachten. St. Pauli konnte ich noch nie leiden. Schon früher gab sich der Verein als Schutzpatron für die linksextremem Hafenstraßen-Besetzer.

Bei den Mainstream-Journalisten ist es umgekehrt. Genau für die radikale Ausrichtung lieben sie den Klub, der kurioserweise in Braunhemden aufläuft und den Totenkopf zum Vereinssymbol gemacht hat. Prompt bugsierten die Reporter ihn und seine Anhänger nach den Krawallen in die Opferrolle. Union dagegen ist für sie nach der Kritik an den Corona-Maßnahmen, dem Ablehnen der Gendersprache, dem Bekenntnis, sich nicht dem Zeitgeist zu unterwerfen und nun dem Besuch des ungarischen „Faschisten“ endgültig im Aus gelandet. Als Herthaner verbindet mich noch aus Mauerzeiten mit Union die „Freundschaft hinter Stacheldraht“. Heute hoffe ich, daß der Verein so bleibt, wie er ist: unangepaßt. Und damit ein echter Kult-Klub.