© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 43/22 / 21. Oktober 2022

Frisch gepreßt

Abrechnung mit dem Westen. Es ist ein chaotisches und beängstigendes Bild, das der Professor für Internationale Politik der Bundeswehr Carlo Masala über die Weltpolitik zeichnet. Unzählige Versuche des Westens, eine neue Ordnung zu etablieren, seien gescheitert, ist sein schonungsloses Fazit. Ideen wie ein neues globales Machtkonzert über mehr imperiale Führung, stärkere globale Organisationen und regionale Integration nach dem Vorbild der EU bis hin zu utopischen Ideen wie der Gründung einer Weltföderation hätten nicht zu einer stabilen Ordnung für das 21. Jahrhundert geführt, so der 54jährige Kölner. Vor allem sei es erstaunlich, wie wenig „der Westen“ aus seiner fehlgeschlagenen Politik der Universalisierung seiner Werte und Normen gelernt habe. So als habe es das Scheitern in Afghanistan, im Irak oder in Libyen nie gegeben, erschalle bei fast jedem neuen Konflikt sofort der Ruf nach Intervention des Westens und werde die Demokratisierung als Allheilmittel der Konfliktlösung propagiert. Aber die Versuche, die Demokratie global auszuweiten oder die internationale Politik immer stärker den Regeln des Rechts zu unterwerfen, stießen und stoßen auf den Widerstand eines nicht unerheblichen Teils der Staaten im internationalen System. Das Ziel, die Welt zu verwestlichen, ist nach Meinung von Masala, mehr als 25 Jahre nach dem Ende der globalen Machtkonfrontation zwischen den USA und der UdSSR, letztlich gescheitert. Dies ist eine der zentralen Thesen dieses Buches. Doch was tun? Deutschland rät er angesichts des Dilemmas zu einer realistischeren Außen- und Sicherheitspolitik. Berlin müsse nun sein Handeln strikt an seinen eigenen Interessen ausrichten. Weder Bündnissolidarität noch eine wie auch immer empfundene Verantwortung für die Aufrechterhaltung globaler Stabilität seien mehr geeignet, primäre Ziele deutscher Außenpolitik zu sein. (ctw) 


Carlo Masala: Weltunordnung. Die globalen Krisen und das Versagen des Westens. Verlag C. H. Beck, München 2022, broschiert,198 Seiten, 16,95 Euro