© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 44/22 / 28. Oktober 2022

Frankfurter Buchmesse
Wer den Diskurs beherrscht
Dieter Stein

Eigentlich hätte die Frankfurter Buchmesse uns für 30 Jahre Messeteilnahme ehren müssen. Seit 1991 ist die JUNGE FREIHEIT – unterbrochen nur durch die zwei Corona-Jahre – alljährlich Aussteller gewesen. Der Messedirektor mit einer Urkunde, Blumenstrauß und Flasche Sekt am Stand? Zu schön, um wahr zu sein.

Tatsächlich ist die in ihren eigenen Worten „größte Buchmesse der Welt“ Spiegel der deutschen Debattenkultur. Cancel Culture, Wokeness- und Diversity-Trend schlagen sich hier sogar noch konzentrierter nieder. Die Messe ist Hochfest der Politisch Korrekten und Gender-Tugendwächter.  

Wie wenig die eigene Intoleranz wahrgenommen wird, zeigten Gespräche mit linken Standbesuchern, die sich wenigstens der Diskussion stellten. Verblüffend die Frage einer Studentin: „Wieso kommen Sie mit der JF überhaupt hierher? Sie dürften doch gar nicht hier sein, weil Sie als Rechte anderen ihr Recht auf einen abweichenden Standpunkt bestreiten und Andersdenkende mundtot machen wollen.“ 

Die multiplen Krisen, in die wir steuern, bringen Fassaden verengter Meinungskorridore immer stärker ins Wanken.

Es fällt vielen offensichtlich überhaupt nicht auf, wer tatsächlich ein Klima der Ausgrenzung Andersdenkender erzeugt, wer unter der Parole „Vielfalt“ nur immer größere Einfalt erzeugen will. Absurd die Hysterie angesichts drei von 4.000 Ausstellern, die sich als konservativ oder rechts einordnen.

Augenfällig wurde bei dieser Buchmesse die erdrückende Präsenz von Institutionen des Bundes und der Länder, von öffentlich-rechtlichen Sendern sowie von Nichtregierungsorganisationen, die überwiegend mit Steuergeldern finanziert werden. Auch hier wie gesamtgesellschaftlich: Die durch Transferleistungen des Staates, die Steuern arbeitender Bürger, finanzierten Institutionen beherrschen immer stärker den öffentlichen Raum und damit den Diskurs.

Wir sind aus Prinzip dort gewesen, weil es darum geht: Der öffentliche Raum darf nicht von einer politischen Richtung monopolartig dominiert werden. Wenn wir uns freiwillig zurückziehen in Blasen und Parallelwelten, räumen wir kampflos das Feld – was exakt das Ziel der Verfechter eines gouvernantenhaft von oben gelenkten Diskurses, von betreutem Denken, einer nur noch demokratisch verkleideten halbtotalitären „Zivilgesellschaft“ ist. Ohne Widerstandswillen unseres Umfeldes, vieler Leser, die uns am Stand besuchten und Ermunterung aussprachen, ist dies nicht zu machen. 

So wie der Herbstwind Blätter von den Bäumen weht, so sorgt der Sturm der multiplen Krisen, in die wir derzeit steuern, dafür daß die Fassaden der verengten Meinungskorridore immer stärker zu wanken beginnen.