© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 44/22 / 28. Oktober 2022

Zwischen Reichstag und Kanzleramt
Noch nicht durchschaubar
Paul Rosen

Transparenz ist eines der Hauptschlagwörter der politischen Klasse. Alles muß möglichst offen liegen. Doch in eigenen Dingen ist der Bundestag viel zurückhaltender. Es mußte erst zur Maskenaffäre kommen, bei der sich einige Politiker ein fettes Zubrot verdient hatten. Also beschloß der Bundestag im vergangenen Jahr, die Nebeneinkünfte der 736 Abgeordneten bis auf den letzten Cent zu erfassen und auch so detailliert zu veröffentlichen. 

Was dann geschah, ist im Zeitalter der Digitalisierung und elektronischen Informationsübermittlung mehr als erstaunlich. Jeder Abgeordnete erhielt von der Bundestagsverwaltung einen gedruckten Fragebogen. Auf 23 Seiten war detailliert anzugeben, welche Einkünfte neben dem Mandat wo und in welchem Zeitraum erzielt wurden beziehungsweise regelmäßig erzielt werden. Die meisten Volksvertreter sandten die ausgefüllten Formulare zurück. 

Daraufhin passierte lange Zeit gar nichts. Denn in der rund 3.000 Beschäftigte zählenden Bundestagsverwaltung fand sich gerade eine Schreibkraft,  die die Angaben der Abgeordneten in Tabellen eintragen konnte. Das mußte individuell abgetippt werden. Technische Schwierigkeiten kamen  hinzu. So konnten für die Onlineseite bundestag.de zwar die Textangaben verarbeitet werden, aber die anzugebenden Geldbeträge wurden nicht ordnungsgemäß ausgewiesen.

Auch inhaltliche Schwierigkeiten sorgten für weitere Verzögerungen bei dem Projekt. Denn schwierig wurden solche detaillierte Angaben für praktizierende Anwälte und Steuerberater, die sich auf einmal genötigt sahen, Details über ihre Mandanten veröffentlichen zu müssen – und dies natürlich aus Gründen des Berufsgeheimnisses verweigerten. Offenbar hatte an solche Fälle bei Aufstellung der Transparenzregeln niemand gedacht. Der Ältestenrat des Bundestages beschloß daher zusätzliche Regelungen, so daß erst jetzt die Angaben fast aller Abgeordneten vorliegen.

Die sollen demnächst Zug um Zug auf der Internetseite des Bundestags veröffentlicht werden. Bis dahin gibt es jedoch weniger Transparenz denn je zu verzeichnen: „Die Veröffentlichung von Angaben nach den Verhaltensregeln für Mitglieder des Deutschen Bundestages erfolgt sukzessive nach Eingang, Prüfung und Bearbeitung der Daten“, heißt es auf der Seite von FDP-Chef und Finanzminister Christian Lindner, der gerade wegen eines millionenschweren Immobiliengeschäfts und Vorträgen bei einer Bank Gegenstand einer heftigen Transparenzdebatte geworden ist. Auch auf seiner persönlichen Internetseite verzichtet Lindner auf Daten zu Nebeneinkünften.

Andere Abgeordnete verfahren transparenter. So gibt der CDU-Abgeordnete Stephan Albani seine frühere Tätigkeit für das „Hörzentrum Oldenburg“ ebenso an wie einen gegen Entgelt gehaltenen Vortrag bei einem Pharmaunternehmen. Laut der Neuregelung des Bundestages müßte Albani künftig allerdings auch die Höhe der dadurch erzielten Einnahmen offenlegen.