© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 44/22 / 28. Oktober 2022

Auch wer schweigt, sagt etwas
Doppelmord: Ludwigshafen trauert um die Männer, die ein Flüchtling umgebracht hat / Regierung äußert sich nicht zu den Taten
Vincent Steinkohl

Mehr als tausend Menschen versammeln sich am Sonntag in Ludwigshafen-Oggersheim, Fassungslosigkeit und Trauer dominieren die Stimmung der Teilnehmer. Blumen und Kerzen werden niedergelegt, Fotos zeigen die Gesichter der beiden Ermordeten. Maya und Kurt S., die Eltern des getöteten 20jährigen Jonas, sind sichtlich gerührt. „Wir sind total überwältigt, daß die Anteilnahme so groß ist. Daß alle mitfühlen“, sagt die Mutter. Ihr Mann unterstreicht das: „Ich habe eine sehr starke Familie und Freunde, die Tag und Nacht bei uns sind.“ 

Das beschauliche Oggersheim, in dem der frühere Bundeskanzler Helmut Kohl von 1971 bis zu seinem Tod gelebt hatte, wurde vorige Woche zum Schauplatz blutiger Gewalt. Laut Nachbarn wollte ein 25jähriger Somalier in die Wohnung seiner Ex-Freundin eindringen, die sich zuvor von ihm getrennt hatte. Als die Frau die Tür nicht öffnete, schrie er wütend auf der Straße herum. 

Anwohnern zufolge soll die Polizei schon mehrfach wegen Vorfällen dieser Art vorstellig geworden sein. Danach ging er mit einem Messer bewaffnet auf die Straße. Völlig unvermittelt stach er auf den 20jährigen Maler Jonas S. ein, tötete ihn und trennte seinen Unterarm ab. Der Kollege des Opfers, der 35 Jahre alte Sascha K., eilte seinem Gesellen zu Hilfe. Auch ihn tötete der Somalier und brüllte dabei laut Zeugenaussagen „Ich will Gerechtigkeit für meine Kinder!“ und „Allahu Akbar“. Den abgehackten Unterarm warf er auf den Balkon seiner ehemaligen Freundin. In einer Drogerie in der Nähe attackierte er eine weitere Person. Die inzwischen eingetroffene Polizei schoß ihn im Geschäft nieder und verhaftete ihn anschließend. Wann er vom Krankenhaus ins Gefängnis verlegt werden kann, ist noch unklar. Auch mit Blick auf ein Tatmotiv gibt es noch keine abschließenden Erkenntnisse. „Wir ermitteln in alle Richtungen“, sagte eine Polizeisprecherin. Der Mann ist 2015 nach Deutschland gekommen, hat einen anerkannten Flüchtlingsstatus und war bereits in der Vergangenheit durch Körperverletzung aufgefallen, teilte die Polizei auf Anfrage der JUNGEN FREIHEIT mit.

Während die schrecklichen Ereignisse die Menschen in Rheinland-Pfalz und in den sozialen Medien tagelang umtreiben, äußert sich die Bundesregierung nicht offiziell dazu. Anders im Fall einer ebenfalls vergangene Woche mutmaßlich durch Brandstiftung zerstörten Flüchtlingsunterkunft bei Wismar, wo die Reaktion von Innenministerin Nancy Faeser (SPD) nicht lange auf sich warten ließ: Am folgenden Tag besuchte sie den Ort des Geschehens und dankte den Einsatzkräften, denen es mit zu verdanken war, daß dort keine Menschenleben zu beklagen waren (siehe Seite 4).

Zur Gewalttat von Ludwigshafen mit einem Schwerverletzten und zwei Toten schwieg Faeser. Eine Sprecherin des Innenministeriums gab sich zugeknöpft. Der Fall werde von der örtlichen Staatsanwaltschaft aufgeklärt. „Das sind laufende Ermittlungen. Diese werde ich nicht weiter kommentieren.“ Aber warum werde der Fall des abgebrannten Flüchtlingsheims dann anders behandelt, obwohl auch da die Behörden vor Ort ermitteln? Der Ministerin, so ihre Sprecherin, sei es vor allem auch darum gegangen, „den aus der Situation Geretteten das Zeichen zu geben, daß die Bundesregierung diesen Vorfall und den Schutz der Ukrainerinnen und Ukrainer in Deutschland sehr ernst nimmt.“ Und daß es auch in Ludwigshafen Helfer, Traumatisierte und Opfer gibt, die besucht werden könnten? Faesers Sprecherin am Freitag bei der Regierungspressekonferenz: „Ich will hier keine Vergleiche zwischen unterschiedlichen Fällen ziehen.“ 

Der innenpolitische Sprecher der AfD-Fraktion im rheinland-pfälzischen Landtag, Jan Bollinger, wurde dagegen deutlich: „Die ungesteuerte Zuwanderung nach Europa und Deutschland muß sofort beendet werden.“ Daß viele Delikte von Zuwanderern begangen würden, die trotz abgelehnter Asylanträge teilweise seit Jahren in Deutschland lebten und Straftaten begehen könnten, sei „ein Skandal im Skandal“. Mit Blick auf die Antwort  der Landesregierung auf eine Anfrage seiner Fraktion ergebe sich, daß im vergangenen Jahr etwa jeder fünfte männliche Somalier in Rheinland-Pfalz Tatverdächtiger mindestens einer Straftat gewesen sei. 

Morde von Oggersheim erinnern an ähnliche Fälle

Der Fall in Oggersheim erinnert an den Amoklauf von Würzburg vom Juni 2021. Dort hatte der Somalier Abdurahman J. drei Frauen mit einem Messer getötet und neun Menschen verletzt. Er wurde in die Psychiatrie eingewiesen, der Fall wird derzeit vor Gericht verhandelt. 

Auch am Oberlandesgericht München wird derzeit ein ähnlicher Fall verhandelt: Die Passagiere eines ICE von Passau Richtung Nürnberg ahnten am 6. November 2021 nichts Böses, als plötzlich ein junger Mann aufstand, ein Messer zog und wahllos auf Umstehende einstach. Seinem ersten Opfer rammte er das Messer achtmal in den Kopf, den Hals und in die Brust. Wie durch ein Wunder überlebte der Mann schwer verletzt. Auch drei weitere Personen wurden von dem aus Syrien eingereisten Palästinenser Abdalrahman A. mit dem Messer angegriffen, sie erlitten teils schwere Verletzungen.

Ein Blick auf die Zahlen zeigt, daß Ausländer und Zuwanderer deutlich häufiger in Konflikt mit dem Gesetz kommen als Deutsche. Bundesweit waren im vergangenen Jahr 7,1 Prozent aller Tatverdächtigen laut Bundeskriminalamt Zuwanderer. Dieser Gruppe gehören 1,3 Millionen Menschen an, also 1,56 Prozent der Gesamtbevölkerung in der Bundesrepublik. Bei besonders schweren Verbrechen sind die Zahlen noch deutlicher: Sexualdelikte wurden zu 7,6 Prozent von Zuwanderern begangen, Straftaten gegen das Leben zu 12,8 Prozent von dieser Bevölkerungsgruppe verübt. 

Von 2015 bis 2021 wurden bundesweit 41.532 somalische Asylbewerber in Deutschland registriert. Einer Straftat wurden 3.348 von ihnen verdächtigt, das ist etwa jeder zwölfte. Mehr als jedem dritten somalischen Tatverdächtigen werden mehrere Delikte vorgeworfen. In Rheinland-Pfalz, wo sich die Attacke von Ludwigshafen abgespielt hatte, kam es in der ersten Hälfte des vergangenen Jahres zu 237 Messerangriffen, 84 der Tatverdächtigen hatten keine deutsche Staatsangehörigkeit. Von diesen 84 waren 41 Zuwanderer; das steht im Behördenjargon für die seit 2015 eingewanderten Asylbewerber. In dem Bundesland waren von knapp 99.000 Tatverdächtigen im vergangenen Jahr 30.000, also rund ein Drittel, keine Deutschen. Der Ausländeranteil im Bundesland liegt bei 12,2 Prozent. 

Der Publizist und Psychologe Ahmad Mansour wies jüngst darauf hin, daß Ausländer bei Messerdelikten deutlich überrepräsentiert seien. 39,6 Prozent der Täter seien keine deutschen Staatsbürger, 17,4 Prozent von ihnen Zuwanderer. „Eine differenzierte und sachliche Debatte darüber ist wichtig“, betonte Mansour.

Foto: Blumen und Kerzen zum Gedenken, Foto eines der Opfer: „Sehr starke Familie und Freunde, die bei uns sind“