© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 44/22 / 28. Oktober 2022

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Frankreich streitet über Ausländerpolitik

PARIS. In Paris haben vergangene Woche Donnerstag mehr als 20.000 Menschen an einem Trauermarsch für die zwölfjährige Lola teilgenommen, die von einer sich illegal im Land befindlichen Algerierin ermordet wurde. Die Organisatoren wollten mit der Demonstration ausdrücklich auch an alle anderen Opfer staatlicher „Laschheit“ erinnern. Längst hat der Fall zu einer heftigen politischen Debatte um Ausländerkrimininalität und die Ausweisepraxis in Frankreich geführt. „Der Horror hätte vermieden werden können“, schreibt die Frontfrau des Rassemblement National (RN), Marine Le Pen, auf Facebook. Der Macron-Regierung wirft sie vor, nicht konsequent abzuschieben, obwohl Emmanuel Macron dies bereits vor fünf Jahren versprochen habe. Die Regierung sei nun gezwungen, endlich zu handeln. „Wir haben Sie hundertmal zu dieser laxen Migrationspolitik befragt. Von diesen Aufforderungen, das Land zu verlassen, werden 90 Prozent nicht vollstreckt“, empörte sich Le Pen zudem im Parlament. Die französische Regierung warf der Politikerin vor, den Fall politisch zu instrumentalisieren. „Es ist beschämend, den Tod eines zwölf Jahre alten Mädchens als Vorwand zu benutzen, um belanglose Politik zu betreiben“, sagte Justizminister Éric Dupond-Moretti. Auf den Hinweis Le Pens, man habe es nicht mit einer isolierten Einzeltat zu tun, hielt ihr Innenminister Gérald Darmanin die „Indezenz“ der Feststellung vor. Es sei jetzt nicht die Zeit, über Migrantengewalt zu sprechen. Dabei war es im Sommer noch Darmanin selbst, der im Interview mit dem Figaro feststelle: „Ausländer machen sieben Prozent der französischen Bevölkerung aus und begehen 19 Prozent der Straftaten. Dies nicht zu sehen hieße, die Realität zu leugnen.“ Der christdemokratische EU-Abgeordnete François-Xavier Bellamy betonte, daß ein so brutaler Mord an einem Kind alles andere als ein Zufall sei. Man habe es vielmehr mit einem neuerlichen Beweis für die „Verwilderung“ Frankreichs zu tun. Deren Hauptursache liege in der „Entwaffnung“ der Institutionen, die die Bürger Angriffen schutzlos aussetze. Die Grünen-Politikerin Sandrine Rousseau warf der „extremen Rechten“ vor, Fotos von Lola veröffentlicht zu haben, „um ihre rassistischen Kämpfe voller Angst und Haß zu befeuern“. Es gebe keinen „Frankozid“. Der Schöpfer des Begriffs, der rechtskonservative Journalist und Chef der Partei Reconquete!, Eric Zémmour, schrieb auf Twitter: „Die Mörderin von Lola hätte dem Mädchen nie begegnen dürfen. Wieder einmal“. Schon als die Leiche des Mädchens am 15. Oktober in einem Koffer gefunden wurde, war die Bestürzung groß. Die Polizei entdeckte an der gefesselten und im Gesicht mit Klebeband umwickelten Leiche neben zahlreichen Schnittwunden auch die Zahlen 1 und 0 auf den Fußsohlen. Offizielle Todesursache: Ersticken. Aufgrund von Aufnahmen einer Überwachungskamera aus dem Wohnhaus des Kindes konnten die Ermittler die 24jährige Dahbia B. als mutmaßliche Täterin sowie einen 43 Jahre alten möglichen Komplizen festnehmen. Die Algerierin, bei der es laut Behörden Hinweise auf psychische Probleme gäbe, hielt sich illegal in Frankreich auf, da ihre Aufenthaltserlaubnis abgelaufen war und sie im August eine Ausweiseverfügung erhalten hatte. Ersten Ermittlungsergebnissen nach tauchte die Frau bei ihrer Schwester unter, die in demselben Haus wie Lolas Familie wohnt. Dort habe sie Lola in die Wohnung gezogen, sexuell mißbraucht und zu Tode gefoltert. (gb)