© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 44/22 / 28. Oktober 2022

Wenig passiert
Facebooks Metaverse kommt nur langsam voran
Eric Steinberg

Am 28. Oktober ist es genau ein Jahr her, daß Firmenchef Mark Zuckerberg die Umbenennung von Facebook in Meta bekanntgab. Damit setzte er den Startschuß für das bislang zukunftsorientierteste Projekt des Konzerns: das Metaverse. Trotz großer Investitionen ist bisher allerdings noch nicht viel passiert. 

Das konzerneigene Projekt Horizon Worlds in der Metaverse wirkt eher wie ein Testgelände für zukünftige Projekte. In der virtuellen Welt der Plattform können sich User in Form von eigenen Avataren begegnen, gemeinsam interagieren und ihre Umwelt gestalten – vorausgesetzt man hat überhaupt eine Zugangsmöglichkeit. Der Eintritt in den digitalen Raum ist bisher nur in vier Ländern möglich. Nachdem Horizon Worlds Ende 2021 in den USA und Kanada gelauncht wurde, kamen im August dieses Jahres Spanien und Frankreich hinzu. Wann es auch in Deutschland losgeht, hat Meta bisher noch nicht bekanntgegeben.

Probleme bei der Übertragung der Beinbewegungen

Zusätzlich zu der Länderbeschränkung benötigt der Nutzer die Meta-eigene Virtual-Reality-Brille Oculus Quest 2. Um als Pionier voranzugehen, kaufte Meta 2014 den VR-Brillen-Hersteller Oculus VR für 2,3 Milliarden US-Dollar. Im Internet gibt es das Quest-Modell für knapp 500 Euro zu erwerben. Neben der zusätzlichen Hardware also ein kostspieliger Zeitvertreib, der sich vermutlich auch auf die Nutzerzahlen auswirkt: Obwohl das Unternehmen ursprünglich bis zu 500.000 Nutzer bis zum Ende dieses Jahres anpeilte, sind es aktuell gerade einmal 200.000. Insbesondere die große Gaming-Szene hat bisher kaum Interesse am Metaverse. Die Avatare in Horizon Worlds haben bislang nicht einmal Beine, da deren Bewegungen anhand von angeschlossenen Controllern nur sehr schwer einzufangen sind. Selbst die Grafik konnte bisher nicht verbessert werden, die Welt erinnert vielmehr an die ersten Gehversuche der Videospiele-Branche als an eine täuschend echte Realität. Bis der Charakter eines Paralleluniversums aufkommt, wird es wohl noch Jahre dauern – eine Integration von altbekannten Games in das Metaverse ist im aktuellen Stadium undenkbar. Deshalb schneiden auch andere Anbieter im Metaverse kaum besser ab. Einer der größten Player ist dabei Decentraland, der laut eigener Aussage 1,5 Millionen Nutzer im vergangenen Jahr auf die Plattform lockte. Hier geht es um den Erwerb von digitalen Grundstücken, für die an angesagten Plätzen gerne sechsstellige Beträge bezahlt werden. Auch Aktivitäten wie virtuelle Konzerte werden angeboten. Ein weitere Metaverse-Player findet sich mit The Sandbox. Dort läßt sich im Look von Minecraft die Zeit mit Minispielen vertreiben; auch dort können Grundstücksplätze von den Spielern erworben werden. An die Nutzerzahlen von Decentraland reicht es jedoch längst nicht heran. Laut eigener Aussage begegnen sich monatlich bis zu 30.000 Spieler in der pixeligen Umgebung. 

Doch es gibt neue Ansätze. Auf der Entwicklerkonferenz Meta Connect gab Chefstratege Mark Zuckerberg nun ein Update zum Projekt. Ausgerechnet ein alter Konkurrent soll dem Unternehmen dabei zum Erfolg verhelfen. Microsoft-Chef Satya Nadella teilte auf der Connect-Konferenz mit, daß der Konzern künftig Anwendungen wie Microsoft Teams, Office und sogar XBox Cloud Gaming mit den Quest-Brillen von Meta verknüpfen wolle. Ursprünglich sollte das Metaverse den Alltag revolutionieren und auf lange Sicht das Internet, wie wir es kennen, ablösen. Geschäftsmeetings, Verabredungen mit Freunden, Bildung oder auch Gaming: Das Metaversum sollte zum digitalen Anlaufpunkt werden. „Wir denken, daß diese geräte- und bildschirmübergreifende Erfahrung die Grundlage für das virtuelle Büro der Zukunft sein wird“, so Zuckerberg auf der Connect-Veranstaltung. Laut einer Umfrage des Bundesverbands der deutschen Games-Branche gaben allerdings sechs von zehn Befragten an, noch nie etwas vom Metaverse gehört zu haben. 24 Millionen Deutsche teilten jedoch mit, sich vorstellen zu können, es in Zukunft zu nutzen. Und so bleibt das Potential des Meta-Projektes vielversprechend. Langsam wird es jedoch Zeit für echte Innovation. Passiert weiterhin wenig, könnte auch den Anlegern bald die Puste ausgehen. Um stolze 60 Prozent sank der Meta-Aktienwert in diesem Jahr. „Unser Ziel ist es, dem Metaverse dabei zu helfen, in diesem Jahrzehnt eine Milliarde Menschen und Hunderte von Milliarden Dollar an digitalem Handel zu erreichen“, sagt Zuckerberg. Bis das soweit ist, gibt es vielleicht sogar echte Beine.