© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 44/22 / 28. Oktober 2022

Kulturpolitik mittels bronzezeitlicher Opfergruben
Archäologie auf chinesich
(ob)

Nördlich der heutigen Millionenstadt Chengdu im Südwesten Chinas stießen Archäologen vor kurzem auf die „Opfergruben von Sanxingdui“, über die sie erstmals 2021 in der prähistorischen Zeitschrift der Chinesischen Akademie der Wissenschaften berichteten. Alle acht Gruben waren randvoll mit Hunderten Artefakten, Gefäßen, Skulpturen, Masken, aus Gold, Bronze, Jade oder Ton. Die Untersuchungen stehen erst am Anfang, doch für die dort derzeit tätigen 120 Forscher ist jetzt schon klar, daß der Fundplatz um 3000 v. Chr. ein hochentwickeltes Machtzentrum im fruchtbaren Sichuan-Becken war, dessen eigenständige bronzezeitliche Kultur sich deutlich von jenen Siedlungen Zentralchinas unterschied, die bislang als „Wiege der chinesischen Kultur“ galten. Die Entdeckung füge sich nach Einschätzung des Wissenschaftsjournalisten Hubert Filser ideal in die Staatsideologie der Pekinger Kommunisten ein (Spektrum der Wissenschaft, 7/2022). Habe doch Präsident Xi Jinping die Grabungsfunde bereits entsprechend als „großartige Beiträge Chinas zur Kultur dieser Welt“ vereinnahmt. Wie Xi eine solche „Archäologie chinesischer Machart“ kulturpolitisch instrumentalisieren will, ist zwar noch offen, doch gewiß sei, daß Disziplin nun weiter zwecks historischer Identitätsstiftung „extrem gefördert“ werden dürfte. 


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