© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 44/22 / 28. Oktober 2022

Ewige Sieben
Der Philosoph Iwan Iljin über geistige Grundlagen des Lebens
Werner Olles

Der russische christlich-orthodoxe Religionsphilosoph, Rechtswissenschaftler und Publizist Iwan Iljin (1883–1954) hinterließ ein gewaltiges Lebenswerk, das im heutigen Rußland eine große Renaissance erfährt. Früh war er mit den kommunistischen Machthabern in Konflikt geraten, wurde mehrfach wegen „konterrevolutionärer Umtriebe“ festgenommen und im Dezember 1922 gemeinsam mit seiner Ehefrau zwangsexiliert. Im Berliner Russischen Wissenschaftlichen Institut nahm er eine Lehrtätigkeit auf, die 1934 endete, als die Nationalsozialisten den antibolschewistischen Philosophen aus dem Institut wiesen. Später wurden ihm öffentliche Auftritte verboten und seine Bücher und Aufsätze über die Philosophie Hegels, Fichtes und Rousseaus und seine Werke „Über den gewaltsamen Widerstand gegen das Böse“, „Der Weg der geistigen Erneuerung“ und „Wesen und Eigenart der russischen Kultur“ beschlagnahmt. Iljin war gezwungen, in die Schweiz zu emigrieren, um seinen Lebensunterhalt zu verdienen.

1939 erscheint im Zürcher Aehren Verlag die deutsche Erstausgabe von „Die ewigen Grundlagen des Lebens“. In der Reihe „Philosophia Eurasia“ der Edition „Hagia Sophia“ ist nun eine überarbeitete Neuauflag erschienen mit einer Einleitung, die Iljin 1943 im schweizerischen Waggis verfaßte. Die Lektüre atmet jenen konservativen Geist, der für die Tradition der russischen Philosophie exemplarisch ist. So beklagt er „die großen Katastrophen der Gegenwart“, die aus dem hohlen, sterilen und mammonistischen Leben der letzten hundert Jahre entstanden sind. Die Erneuerung muß für den Philosophen von innen kommen, schöpferische Kräfte erschließen und „neue Güte in den Herzen entzünden“. Ohne Liebe und Gewissen sieht er den Glauben austrocknen und die Religion in totem Ritualismus entarten, die Kunst sich im Modernismus verirren, die Rechtsprechung zum toten Formalismus werden, die Wissenschaft in relativistischen Abstraktionen: „Das wahre Neue muß aus dem ewigen Alten frei und organisch emporwachsen.“

Iljin sieht sieben ewige geistige Grundlagen des Lebens: Glaube, Liebe, Freiheit, Gewissen, Familie, Vaterland, Rechtsbewußtsein. Sie zeigen den Weg zur geistigen Besinnung, ohne sie kann eine gesunde Gesellschaft nicht existieren. Die Familie als Keimzelle eines geistigen Patriotismus und die christliche Monarchie als sakrales Zentrum des Volkes sind für Iljin jene Grundlagen, deren Wesen auf der Liebe gründet. Wie sonst hätten die russische Kultur und das russische Volk die langen schweren Jahre seiner Geschichte wohl überstehen können ohne den Glauben und die Hoffnung der nationalkonservativen orthodoxen Überzeugungen, die in Iwan Iljins Schriften zum Ausdruck kommen?

Iwan Iljin: Die ewigen Grundlagen des Lebens. Edition Hagia Sophia in der Philosophia Eurasia, Wachtendonk 2022, gebunden, 217 Seiten, 19,90 Euro