© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 45/22 / 04. November 2022

Aufhören, es ist vorbei!
Corona: Das Virus ist endemisch, alle unnötigen Maßnahmen können also weg
Michael Paulwitz

Die „Corona-Pandemie“ ist die große Untote inmitten all der realen Krisen, mit denen sich die Deutschen in diesen Tagen herumschlagen müssen. Im nunmehr dritten Jahr spukt sie noch immer durch die Köpfe und Schlagzeilen, verzweifelt am Weiterwanken gehalten durch eine schrumpfende Schar von unentwegten Panikgeneigten. Ihr Anführer verbreitet als Ein-Themen-Guru von seinem Ministeramt aus, in das ihn die Corona-Welle vor Jahresfrist gespült hat, unverdrossen widersprüchliche und zusammenhanglose Warnungen und Tatarenmeldungen, die kaum noch jemanden in Erregung versetzen.

Wenn selbst ein Erzopportunist wie der bayerische Ministerpräsident und vormalige Corona-Paniktreiber Markus Söder auf dem CSU-Parteitag bekundet, er könne das Gemeckere und die Unkenrufe des Herrn Lauterbach „nicht mehr hören“, dann steht fest: Mit Corona-Bußpredigten und hartem Maßnahmenregime ist kein Blumentopf und auch keine Landtagswahl mehr zu gewinnen. Das Coronavirus taugt nicht mehr als Generalvorwand für Repression und Freiheitseinschränkungen.

Söder macht sich ein Argument zu eigen, das auch der Chef der Ständigen Impfkommission (Stiko) Thomas Mertens inzwischen offen ausspricht: Das Virus ist endemisch geworden, die Pandemie ist beendet. Tatsächlich ist eingetreten, was besonnene Fachleute von Anfang an vorausgesagt hatten, bevor die politischen Entscheider und ihre Stichwortgeber von dem Allmachtswahn ergriffen wurden, durch ein babylonisches Maßnahmen- und Impfregime Infektionen um jeden Preis verhindern zu wollen: Das Virus hat sich durch Mutationen dem menschlichen Wirt angepaßt, indem es zugleich ansteckender und weniger gefährlich wurde.

Das erklärt, warum die von Minister Lauterbach als wiederkehrendes Schreckgespenst beschworene „Herbstwelle“ inzwischen von alleine wieder abebbt, auch ohne daß die Länder seinen verzweifelten Appellen gefolgt wären, abermals umfassende Maskenpflichten einzuführen. Die „Inzidenz“ der auf die Einwohnerzahl bezogenen „Infektionen“ muß immer noch als Meßgröße herhalten, obwohl sie kaum praktischen Erkenntniswert hat: Ohne das stur fortgesetzte, teure und weitreichende Testregime – ein Drittel aller PCR-Tests auf das Coronavirus weltweit werden inzwischen in Deutschland durchgeführt – wäre eine spezifische Corona-„Welle“ vermutlich gar nicht zu erkennen. 

Mal mitleidig, mal belustigt nimmt man jenseits der deutschen Corona-Wagenburg die teutonische Maßnahmenfixierung zur Kenntnis. Kopfschüttelnde Heiterkeit ist die Regel, wenn beim Überschreiten der Grenzen nach Deutschland in Fernzügen die zum Fetisch gewordene Maske auf Kommando aufgesetzt werden muß und beim Verlassen des deutschen Virus-Hoheitsgebiets befreit wieder abgenommen werden darf. Angesichts der Entwicklung des Coronavirus zu einem von zahlreichen endemischen Erregern von saisonalen Erkältungskrankheiten wäre die tatsächliche Belastung von Krankenhäusern und Intensivstationen durch an diesem Virus erkrankte Personen die einzige relevante Kennzahl für möglichen öffentlichen Handlungsbedarf. Das Drohen mit einer Überlastung des Gesundheitssystems ist denn auch die letzte Trumpfkarte des Bundesgesundheitsministers und der ihm getreuen Maßnahmenbefürworter.

Aussagekräftige Zahlen dazu gibt es bis heute nicht – einer von vielen unaufgearbeiteten Mißständen in der deutschen Corona-Politik. Auch nach mehr als zweieinhalb Jahren können weder das Bundesgesundheitsministerium noch seine nachgeordneten Behörden mit Bestimmtheit sagen, wie viele Patienten tatsächlich an Covid-19 als Hauptdiagnose erkrankt sind und bei welchem Anteil der Corona-Befund lediglich ein Nebenprodukt der nach wie vor grassierenden Testmanie ist. Wo solche Erhebungen dennoch örtlich stattfinden, relativiert sich die Zahl der ursächlich am Coronavirus Erkrankten auf einen geringen Prozentsatz. 

Die offenkundig gewollte Unklarheit dient somit vor allem dazu, die Statistiken weiterhin bedrohlich zu gestalten. Denn überlastet ist das deutsche Gesundheitssystem: durch chronischen Personalmangel bei schlechter Bezahlung und unbefriedigenden Arbeitsbedingungen, hohen Kostendruck und ineffiziente Bürokratie. Verschärft wird die Personalknappheit weniger durch „das Virus“, sondern durch das mit ihm verbundene Maßnahmenregiment aus Isolations- und Quarantänepflichten. Vor allem die diskriminierende einrichtungsbezogene Impfpflicht, die zahlreiche Pflegekräfte aus dem Beruf getrieben hat, schreckt potentiellen Nachwuchs ab.

Längst liegt offen zutage, daß die mRNA-Impfung gegen das Coronavirus keinen Fremdschutz vor Ansteckung für andere begründet, sondern allenfalls einen gewissen Eigenschutz gegen schwere Krankheitsverläufe. Die Aufhebung der Pflege-Impfpflicht und der strikten Quarantänebestimmungen ist daher sowohl sachlich als auch pragmatisch zwingend geboten. Die Forderungen danach aus Fachverbänden und Länder-Gesundheitsministerien werden lauter, sogar aus Bayern. Zu den verschlossenen Ohren des Karl Lauterbach dringen sie dennoch nicht durch.

Für den Gesundheitsminister geht es um die ramponierten Reste seines Rufs. Die Fortschreibung der „Pandemie“-Panik dient als Ablenkung von Lauterbachs Versäumnissen bei der überfälligen Reform des Gesundheitswesens. Die abermalige Neuauflage einer millionenteuren Impf-Werbekampagne, die den aktuellen Wissensstand absichtsvoll ignoriert, zögert wiederum den Offenbarungseid hinaus. Lauterbachs überzogene Bestellungen von sukzessive verfallenden Impfstoffdosen füllen zwar die Portefeuilles der Pharmahersteller und ihrer Aktionäre, für den unter enormen Defiziten leidenden Gesundheitsetat aber werden sie zum Milliardengrab. 

Während in anderen Ländern neue Regierungen Pandemie und Corona-Maßnahmen für beendet erklären, Abbitte tun für die niederträchtige Stigmatisierung ungeimpfter Bürger und die Weichen für die politische Aufarbeitung ihrer Corona-Politik stellen, dreht sich in Deutschland das Impf- und Maßnahmenkarussell weiter, weil Politik und Wissenschaft sich ihrer Verantwortung nicht stellen wollen. Eine Öffentlichkeit, die das Prädikat „demokratisch“ verdient, sollte ihnen das nicht durchgehen lassen.