© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 45/22 / 04. November 2022

Vom Bundestag ausgebremst
Fördermittel: In Karlsruhe wird über die finanzielle Zukunft der AfD-nahen Desiderius-Erasmus-Stiftung entschieden
Martina Meckelein

Vor dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe klagt die AfD gegen die Bundesregierung, den Bundestag, den Haushaltsausschuß, das Innen- und das Finanzministerium. Sie fordert Chancengleichheit für die ihr nahestehende Desiderius-Erasmus-Stiftung. Worum geht es konkret?

Allen großen Parteien stehen Stiftungen nahe, die Millionen an staatlichen Fördergeldern erhalten: die Friedrich-Ebert-Stiftung (SPD), die Konrad-Adenauer-Stiftung (CDU), die Friedrich-Naumann-Stiftung (FDP), die CSU-nahe Hanns-Seidel-Stiftung, die Rosa-Luxemburg-Stiftung (Linke) und die Heinrich-Böll-Stiftung (Grüne). Sie finanzieren sich fast ausschließlich aus öffentlichen Mitteln. Im Jahr 2021 beliefen diese sich laut Bund der Steuerzahler auf 590 Millionen Euro. Die Zuwendungen seien von 1999 bis 2019 um 110 Prozent gestiegen. Und dabei existiere nicht einmal eine eigenständige gesetzliche Regelung. Die Förderung finde nur auf Grundlage des Bundeshaushaltes statt.

Streitthema ist die Beobachtung der AfD durch den Verfassungsschutz

Verschiedene Voraussetzungen müssen die Stiftungen erfüllen. Zum Beispiel rechtlich und tatsächlich unabhängig von der Partei sein, so entschied es das Gericht 1986 in seinem Stiftungsurteil. „Wie sieht die Realität in den Stiftungen aus“, fragt zu Beginn der mündlichen Verhandlung in dem Or-ganstreitverfahren die Vorsitzende des Zweiten Senats Doris König und hört dazu alle parteinahen Stiftungen in Karlsruhe an. „Wir sind Impulsgeber, wirken nicht an politischer Willensbildung mit“, sagt die Geschäftsführerin der Friedrich-Ebert-Stiftung Sabine Fandrych. Wie viele ihrer Stipendiaten Karriere in der Partei gemacht haben, wisse die Geschäftsführerin nicht. Dann fallen ihr doch noch prominente Namen ein: „Frank-Walter Steinmeier, Anne Will und Alice Weidel.“ Ein erstauntes Raunen geht durch den Saal. Später stellt die Stiftung jedoch klar: Weidel sei nie Stipendiatin gewesen.

 Der folgt der Auftritt von Norbert Lammert, Chef der Konrad-Adenauer-Stiftung. Der frühere Bundestagspräsident antwortet auf die Frage, wie groß die Distanz zwischen Partei und Stiftung sei: „Wir haben als Stiftung ein vitales Interesse an einer Verbindung zur Partei“, gibt er unumwunden zu. „Nicht nur historisch, es sind auch aktive Politiker mit Funktionen in Gremien der Stiftung.“ In der fünfundvierzigköpfigen Mitgliederversammlung sind neunzehn CDU-Funktionsinhaber, im dreiundzwanzigköpfigen Vorstand vier.

 Auch Erika Steinbach kommt zu Wort. Sie ist seit 2018 Vorsitzende der Desiderius-Erasmus-Stiftung und 2022 in die AfD eingetreten. Dem Vorstand der DES gehöre kein Bundestagsabgeordneter an. Die Stiftung lebe einzig von Spenden, habe nur eine hauptberufliche Dreiviertelstelle, statt wie andere Hunderte, und sie könne nicht wie andere 12.000 Veranstaltungen im Jahr, sondern nur 50 anbieten. Die AfD ist seit 2017 im Bundestag vertreten, sowie in diversen Landesparlamenten. Und genau diese „wiederholte Vertretung“ in dem Bundestag ist eines der Kriterien für die finanziellen steuerlichen Geldsegen an die jeweilige parteinahe Stiftung. Dies geht zurück auf eine „gemeinsame Erklärung“, die sich die Stiftungen 1998 selbst gegeben haben. Denn daraus ergebe sich eine sogenannte dauerhafte Grundströmung. „Die ist hier gegeben“, sagt Rechtsanwalt Ulrich Vosgerau, der die Partei vor dem Bundesverfassungsgericht vertritt. „Die AfD verkörpert sehr alte, konservative Strömungen. Die waren schon immer da. CDU, CSU und FDP wollen sie nur nicht mehr wahrnehmen.“

 Doch ein Problem bleibt: Die Beobachtung der AfD durch den Verfassungsschutz. Die sei zulässig, urteilte das Verwaltungsgericht Köln 2022. Allerdings ist das Urteil nicht rechtskräftig, Vosgerau hat Berufung eingelegt. „Ich nehme die Verfassungstreue sehr ernst“, sagt er. „Aber gegen die DES ist niemals ein Vorwurf erhoben worden, und solange die AfD nicht verboten ist, muß sie gerecht behandelt werden.“ 

Mit einer Entscheidung rechne er frühestens in vier Monaten, sagt Vosgerau. Er vermute, daß das Bundesverfassungsgericht ein Stiftungsgesetz fordern wird. „Das wird der Anfang einer Verzögerungstaktik sein“, so der Anwalt. Normalerweise setze das Gericht dem Bundestag eine Frist von zwei Jahren. „Die hält er nicht ein, und irgendwann wird es dann ein Anti-DES-Gesetz geben.“ Und bis dahin wird es auch kein Geld für die DES geben? „Mal sehen“, sagt Vosgerau, „deshalb habe ich eine Vollstreckungsanordnung angeregt.“

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