© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 45/22 / 04. November 2022

Urteil der Woche
Hier ändert sich nichts!
Björn Harms

Seit fast zwei Jahren ist ein Teil der Friedrichstraße in Berlin-Mitte bereits autofrei. Der rot-rot-grüne Senat preist die Sperrung der Hauptverkehrsstraße und bekannten Einkaufsmeile als erfolgreiches Modellprojekt mit bundesweitem Vorbildcharakter. Hier erkenne man „ein sichtbares Symbol der Verkehrswende“. Kürzlich wagte es jedoch eine einzelne Mutige, die linke Utopie zu stören. Denn der Autoverkehr verschwand natürlich nicht einfach, wie es sich der Senat vorgestellt hatte, sondern staute sich in den Parallelstraßen – unter anderem vor dem Weingeschäft von Anja Schröder. Sie klagte deshalb im Verbund mit anderen Unternehmern und Anliegern des Bündnisses „Rettet die Friedrichstraße“. Und tatsächlich: Eine Eilentscheidung des Berliner Verwaltungsgerichts schob dem Ganzen nun einen Riegel vor: Die Sperrung der Friedrichstraße für Kraftfahrzeuge ist rechtswidrig. Die Straßenverkehrsbehörden könnten die Benutzung bestimmter Straßenstrecken nur bei einer „konkreten Gefahr für die Sicherheit oder Ordnung des Straßenverkehrs“ beschränken. Daran fehle es. Das Land Berlin hat nun zwei Wochen Zeit, der Anordnung Folge zu leisten. Während Berlins Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) eine rasche Umsetzung des Urteils fordert, denkt die verantwortliche Verkehrssenatorin Bettina Jarasch (Grüne) gar nicht ans Einknicken. „Die Umwandlung in eine Flaniermeile, daran ändert sich gar nichts“, blieb Jarasch im RBB stur. Das Urteil selbst ist noch nicht rechtskräftig. Der Senat könnte also noch vor das Oberverwaltungsgericht ziehen. Der Lobbyverein „Changing Cities“, ursprünglich mitveranwortlich für die autofreie Zone, geht sogar noch einen Schritt weiter: Man müsse ganz einfach die Straßenverkehrsordnung ändern. Ansonsten werde im öffentlichen Raum weiterhin „Verkehrssicherheit mit Blut erkauft“.