© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 45/22 / 04. November 2022

Asyl am Limit
Illegale Einwanderung: Nancy Faeser unterdrückt einen wichtigen Migrationsbericht / Schweiz winkt Afghanen durch
Werner Becker

Hat Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) die Öffentlichkeit und Grenzschützer belogen? Das behauptet zumindest ein hochrangiger Polizeigewerkschafter und zeigt so, wie vergiftet das Klima zwischen Ministerium und Teilen der Bundespolizei mittlerweile ist. Im Mittelpunkt des Streits steht ein wichtiger Migrationsbericht, der monatlich an die Dienststellen des Grenzschutzes verschickt wird. Es sind Informationen, die die deutschen Grenzschützer dringend brauchen: Über welche Routen kommen Migranten nach Deutschland? Wie viele kommen eigentlich? Welche Transportmittel nutzen sie? Gibt es wichtige Auffälligkeiten, die die Bundespolizei wissen müßte?

Die letzte Analyse datiert vom September und offenbarte, daß die von der Bundespolizei festgestellten illegalen Einreisen seit Jahresbeginn deutlich ansteigen. Wurden im Februar noch 4.000 Migranten aufgegriffen, waren es im September fast 13.000. Eine Verdreifachung der Zahlen. Ukrainer werden in dieser Statistik nicht mitgezählt. Dabei ist zu beachten, daß die Bundespolizei nur einen kleinen Teil der Asylsuchenden schnappt. Viele schaffen es unerkannt durch die Schleierfahndung an den Grenzen. 2015 etwa wurden nur knapp 150.000 illegale Einreisen registriert, obwohl am Ende des Jahres fast eine Million Asylanträge eingingen. Und selbst diese Zahl erfaßte die Realität wegen der überlasteten Ämter nicht. Aktuell, so berichtet es der stellvertretende Vorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft bei der Bundespolizei, Manuel Ostermann, kämen jeden Tag 1.500 Migranten, von denen die Grenzschützer nur jeden Dritten aufgreifen. 

Heißt im Klartext: Allein im September könnten also rund 40.000 Migranten illegal nach Deutschland geströmt sein. Das Innenministerium beharrt darauf, der Migrationsbericht werde weiter an die Bundespolizei weitergegeben. Polizeigewerkschafter Ostermann kontert: „Das stimmt einfach nicht.“.Deutschland sei weiter „Zielland Nummer eins“. Die meisten kommen aus Afghanistan, Syrien und Nordafrika, oft sind es junge Männer.

Neben der Balkanroute, die über Slowenien, Österreich und Tschechien in Bayern und Sachsen endet, verschärft sich auch die Situation an der Grenze zur Schweiz immer weiter. Allein hier registrieren Grenzschützer derzeit fast 1.000 illegale Einreisen pro Woche. Bei den Aufgegriffenen handelt es sich meist um junge Afghanen, die via Bus von Österreich in die Schweiz kommen und von den Behörden dort in Richtung Deutschland weitergeleitet werden. Die Schweizer Bundesbahn setzt dafür sogar Sonderzüge ein. Kritik aus Berlin lassen die Eidgenossen an sich abperlen. „Wir erlauben formell die Weiterreise“, sagte ein Sprecher der Polizei im Kanton St. Gallen der NZZ.

„Man hat den Eindruck, man will kein Problem haben“

Laut Dublin-Verordnung, der auch die Schweiz beigetreten ist, muß eigentlich das Land das Asylverfahren durchführen, das die Asylsuchenden zuerst erreichten. Von der Regierung in Bern heißt es dazu trocken: „Für Personen, die nicht mehr anwesend sind, kann kein Dublin-Verfahren durchgeführt werden.“ Grenzkontrollen gibt es wegen des Schengen-Abkommens ohnehin kaum noch.

Für die Kommunen in diesem Jahr bereits fast eine Million Ukrainer aufgenommen haben, sind das schlechte Nachrichten. Sie warnen bereits seit Wochen vor einem Kollaps des Systems. Jüngst verhängte beispielsweise Cottbus einen Aufnahmestopp und steht damit nicht allein. Bei der Opposition in Berlin klingeln mittlerweile alle Alarmglocken. 

„Unerlaubte Einreisen sind schon längst nicht mehr die Ausnahme, sondern werden zunehmend zum Regelfall. Stillschweigend werden sie von der Ampel-Regierung im Sinne ihrer radikal linken Migrationsagenda geduldet“, kritisiert die Vizechefin der AfD, Mariana Harder-Kühnel. Sie spricht von einem „Kontrollverlust“. Die stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion im Bundestag, Andrea Lindholz (CSU), fordert, der Bundespolizei unverzüglich wieder alle nötigen Daten zur Verfügung zu stellen. 

Das Innenministerium will keine Parallele zu 2015 sehen. Schließlich lägen die Asylzahlen weit unter jenen dieses Jahres. Dabei klammert das Ministerium die mehr als 900.000 Ukrainer völlig aus, die bereits in Deutschland sind. „Man hat den Eindruck, man will kein Problem haben. Auch wenn es da ist, soll es keiner sehen“, kommentiert der Chef der Bundespolizeigewerkschaft, Heiko Teggatz.