© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 45/22 / 04. November 2022

Hamburgs Hafen als Trittstein für den roten Drachen
An Chinas Kette
Albrecht Rothacher

Chinas maritime Expansionsstrategie ist so simpel wie effektiv. Man nehme zwei von der kommunistischen Partei eng kontrollierte Staatskonzerne, Cosco und China Merchants Ports (CMP), an dem sich keine Ausländer beteiligen dürfen, und lasse sie weltweit modernisierungsbedürftige Häfen mit dem Versprechen neuer Investitionen, mehr Umsatz und Arbeitsplätzen systematisch aufkaufen. Zuerst mit Minderheitenbeteiligungen an Terminals, dann bis zur Kontrolle des ganzen Hafens durch einen chinesischen Manager und seine Leute, seiner Logistik, den Lagerhäusern, den Bahnanschlüssen und der nicht so diskreten Einflußnahme auf die Zollabfertigung.

So war der Athener Hafen von Piräus bis 2008 ein Musterbeispiel staatssozialistischer Schlamperei. Nach der Griechenlandkrise verkaufte Athen auf EU-Anraten den ungeschliffenen Diamanten an den einzigen Interessenten – Cosco. Mit dem Segen der sozialistischen Tsipras-Regierung wurden Gewerkschaften entmachtet, die 1.700 Arbeiter ausgegliedert, der Hafen von chinesischen Baufirmen und Ingenieuren modernisiert. Piräus als logistisches Einfalltor für den Balkan bis Prag wurde zum viertgrößten Hafen Europas. Cosco-Kapitän Fu Gangfeng kontrolliert jetzt 100 Prozent. Athens Wohlwollen ist Peking gewiß.

Die strategische „Perlenkette“ beginnt im Südchinesischen Meer mit ihren Seefestungen auf Atollen, dem Tiefwasserhafen Kyankpyu in Burma. Sie verläuft über Sri Lanka zum für Tiefseeschiffe ausgebauten Hafen Gwadar in Pakistan. Weiter geht es an der ostafrikanischen Küste bis Südafrika. In dem Hafen Dschibuti am Eingang des Roten Meers unterhält China eine Freihandelszone und einen Marinestützpunkt mit 10.000 Mann. Auch 20 Prozent des Suez-Kanals und des Hafens von Port Said vereinnahmt Cosco.

Im Mittelmeer folgen neben Piräus Beteiligungen in Istanbul, Malta und Genua. In dem völlig sorglosen Spanien hatte Cosco 2017 mehrheitlich die Hafengesellschaft Noatum übernommen (jetzt Cosco Shipping Ports). Valencia, Bilbao und die Containerterminals in Madrid und Saragossa fielen so den Chinesen zu. In Frankreich stieg CMP schon 2013 beim Hafenbetreiber „Terminal Link“ ein und sicherte sich Teile der fünf größten Häfen. Heute bedauert Frankreich diesen Kontrollverlust. Zu spät. Auch in Belgien und den Niederlanden hat  China Fuß gefaßt.

Hier kommen der Terminal Tollarort und die Hamburger Hafengesellschaft ins Spiel. Einmal mehr erfolgt das chinesische Versprechen: Eine kontrollierende Beteiligung im Gegenzug für mehr Umsatz und Investitionen. So durchsichtig wird Hafen gegen Hafen, Regierung gegen Regierung mit immer neuen Forderungen ausgespielt. Fast alle haben es kapiert. Allen ist dies klar, nur einem nicht. „Sleepy Olaf“ im Kanzleramt drückte gegen Widerstände jene 25 Prozent an Tollarort für Cosco als Gastgeschenk für seinen China-Besuch durch.

Die kommerzielle Logik solcher Beteiligungen liegt in der bevorzugten Behandlung der eigenen Schiffe im häufigen Stau der Containerschiffe, wo Zeit sehr viel Geld wert ist. Strategisch sind Häfen wichtiger als Flughäfen und transkontinentale Güterzüge zusammen. Letztendlich bedingen die Seekriegsführung und überseeische militärische Einsätze die Kontrolle von Häfen, ihrer Technik und ihres Personals. Das sind Gemeinplätze der Krisenvorsorge, die im politischen Berlin verlorengegangen scheinen.