© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 45/22 / 04. November 2022

BASF und Linde kündigen Teilrückzug aus Deutschland an
Standortnachteil Energiepreis
Marc Schmidt

Acht der 40 Dax-Konzerne gehören zur Chemieindustrie. Auch kleine Firmen der Branche sprechen inzwischen offen über Arbeitsplatzabbau und Produktionsverlagerungen an sicherere und günstigere Produktionsstandorte. Investitionen in Deutschland erfolgen nur noch zur Senkung der Energieverbräuche und der Arbeitskosten. Neue Anlagen für energieintensive Produktionen werden an Orten mit besseren energiepolitischen Rahmenbedingungen errichtet: Amerika, die Golf-Region und China sind die Profiteure von Energiewende, Ukraine-Krieg und den Sanktionen.

Der größte deutsche Chemiekonzern BASF klagt über Mehrkosten bei Energie von 2,2 Milliarden Euro, was fast zehn Prozent des heimischen Umsatzes entspricht. Die drohende Erdgasrationierung im Winter würde die Abwanderung beschleunigen. Stehen energieintensive Anlagen einmal längere Zeit still, ist es in den meisten Fällen günstiger, die Produktion im Ausland mit neuen Investitionen hochzufahren, als die bestehenden, oft abgeschriebenen Anlagen am Hochlohnstandort Deutschland wieder anzufahren. Wirtschaftsminister Robert Habeck wurde zu Recht bei der Vorstellung seiner unrealistischen Windkraftpläne dafür kritisiert, daß er das Wachstum des industriellen Energieverbrauchs nicht einkalkuliert hatte. Wenn die Folgen seiner Wirtschafts- und Sanktionspolitik wie befürchtet eintreten, behält der Grünen-Minister zumindest, was die Energiebedarfe anbelangt, ungewollt recht: Der deutsche Energieverbrauch wird durch die Deindustrialisierung der Ampel-Regierung in den kommenden Jahren tatsächlich sinken.

Der zu erwartende Niedergang in der chemischen wie metallverarbeitenden Industrie vertreibt nun auch das wertvollste Unternehmen im Dax, den 1879 gegründeten Linde-Konzern, aus Deutschland. 2018 mit dem US-Konkurrenten Praxair fusioniert, wurde zunächst nur der steuerliche Sitz nach Irland verlegt. Der größte Hersteller technischer Gase produzierte weiterhin in Deutschland, und Linde war einer der wenigen heimischen Profiteure der Krise. Doch die Zukunftsaussichten erscheinen düster: Die Konzernführung nimmt die Verluste eines Ausscheidens aus dem Handel an der Frankfurter Börse offenbar gelassen hin. Künftig ist Linde nur noch an der New Yorker Börse und im S&P-500-Index gelistet.