© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 45/22 / 04. November 2022

Licht in Silizium
Hochtechnologie: Zwei deutsche Hersteller bieten dem Weltmarkt einzigartige Produkte / Wer darf sie haben?
Paul Leonhard

Es gibt noch gute Nachrichten aus Deutschland: Die Chiphersteller in aller Welt sind von Produkten „Made in Germany“ abhängig. Wenn es darum geht, immer mehr Transistoren auf einem Halbleiter zu plazieren, führt auf Jahrzehnte kein Weg an den Technologien von Trumpf und Zeiss sowie den „Wundermaschinen“, die die Niederländer bei ASML in Veldhoven bauen, vorbei. Es geht um Hochleistungslaser von Trumpf, die Zinntropfen auf 220.000 Grad erhitzen, und optische Spiegel von Zeiss, die einen Lichtstrahl von der Erde so präzise zum Mond lenken könnten, daß sie dort einen Golfball treffen.

Ein Politikum – weil Europa eine eigene Chipindustrie aufbauen will, um die Abhängigkeit von Asien zu reduzieren. Und weil die USA fürchten, daß die neue Generation der „Lichtmaschinen“ von ASML den Weg nach China finden könnte.

Auch warum Intel eine seiner neuen Chipfabriken bei Magdeburg errichtet, hat mit Trumpf, Zeiss und ASML zu tun. Denn teilen sich gegenwärtig vier Chiphersteller den Weltmarkt – jeweils einer aus den USA und Taiwan sowie zwei aus Südkorea –, so kontrolliert ASML mit seinen Lichtmaschinen seinerseits den globalen Markt der Maschinen, die nötig sind, um Chips herzustellen – aktuell 80 Prozent. Und Trumpf und Zeiss liefern zusammen rund zwei Fünftel der Wertschöpfung an den gigantischen Maschinen von ASML. So einfach politische Beweggründe zu erklären sind, so kompliziert sind die technischen Prozesse, die in den beteiligten Laboratorien ablaufen. 20 Jahre Entwicklungszeit und rund neun Milliarden Euro Forschungsgelder stecken dahinter. 

Eine Maschine aus 100.000 Teilen, 3.000 Kabeln, 40.000 Schrauben

EUV-Lithographie – die Abkürzung steht von „extrem ultraviolett“, also Licht mit extrem kurzer Wellenlänge – ermöglicht, Chips für modernste Smartphones und automatisiertes Fahren herzustellen. „Weltweit führende Fertigungstechnologie stärkt deutsch-europäische Position im globalen Halbleitergeschäft“, jubelte Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, und Medien wie die FAZ staunten: „Drei weitgehend unbekannte Firmen entwickeln eine Wundermaschine, teilen ihr Wissen und forschen gemeinsam.“

Diese Gruppe habe Schlüsselkomponenten dieser Lichtmaschinen entwickelt. Die Zeiss-Spiegel leiten also das Laserlicht, das von Trumpf erzeugt wird, durch die ASML-Maschinen. Weil das extrem ultraviolette Licht sogar von Luft absorbiert werden kann, wird es in einer großen Hochvakuumkammer von einem Highpower-Laser erzeugt, der 50.000mal in der Sekunde auf Zinntröpfchen schießt. Der entstehende Plasmablitz mit der Wellenlänge von 13,5 Nanometern wird von Spiegeln gebündelt und bis zum Wafer – Grundlage eines Rohchips – geleitet. ASML ist der Maschinenbauer, „der alle Komponenten integriert und eine Maschine hinstellt, die 180 Tonnen wiegt und über 100.000 Teile, 3.000 Kabel, 40.000 Schrauben hat und mehr als zwei Kilometer Schläuche verschlingt“, sagt Athanassios Kaliudis, Pressesprecher von Trumpf-Lasertechnik. Eine bis zu 300 Millionen Euro teure „Maschine der Superlative“.

Durch den Einsatz von ultraviolettem Licht können Milliarden von winzigen Strukturen auf dünnen Siliziumscheiben erzeugt werden. Auf einem kaum fingerkuppengroßen Mikrochip finden heute mehr als 15 Milliarden Transistoren Platz. Und mit der als konkurrenzlos geltenden und durch über 2.000 Patente abgesicherten Schlüsseltechnologie lassen sich in diesem und dem nächsten Jahrzehnt weitaus leistungsfähigere, energieeffizientere und kostengünstigere Mikrochips herstellen – nur diese stark steigende Rechenleistung ermöglicht die erfolgreiche Digitalisierung.

Ende Oktober hat Trumpf seine Zahlen für das Geschäftsjahr 2021/22 vorgelegt: Der Umsatz ist um 20,5 Prozent auf 4,2 Milliarden Euro gestiegen, der höchste in der 99jährigen Unternehmensgeschichte. Der Auftragseingang stieg um 42,1 Prozent auf 5,6 Milliarden Euro, die EBIT-Rendite auf 11,1 Prozent (468 Millionen Euro), die Zahl der Mitarbeiter um knapp 2.000 auf weltweit 16.554, in Deutschland um 815 auf 8.417. Der Jubel hält sich trotzdem in Grenzen. Man sei dank eines „konsequenten Krisenmanagements“ gut durch die Pandemie gekommen, habe die Lieferkettenengpässe „bestmöglich pariert“, teilte Vorstandsvorsitzende Nicola Leibinger-Kammüller mit, aber für die kommenden Monate bleibe „eine große Unsicherheit, wie sich die Engpässe in den Lieferketten, die hohe Inflation, steigende Material- und Energiepreise sowie Transportkosten auf unser Geschäft auswirken werden.“ Auch die geopolitischen Unsicherheiten wie der Krieg in der Ukraine oder die Spannungen zwischen den USA und China stimmen sie „nachdenklich“. Auch bei Trumpf ist eine wachsende Zurückhaltung der Nachfrage in vielen Märkten spürbar.

Aber nicht alle Umsatzanteilverschiebungen dürften mit fehlender Nachfrage zu tun haben. Daß China als größter asiatischer Einzelmarkt hinter dem starken Wachstum des Vorjahrs zurückblieb (ein plus von 9,6 Prozent auf 575 Millionen Euro) könnte mit den US-Sanktionen zusammenhängen. Den meisten Umsatz erzielte die Trumpf-Gruppe mit den Niederlanden (838 gegenüber 461 Millionen Euro im Vorjahr), was dem starken Wachstum des Geschäftsfeldes EUV mit dem Kunden ASML geschuldet ist. Die USA (656 Millionen Euro) haben Deutschland (589) aktuell von Platz zwei beim Umsatz verdrängt.

ASML selbst machte mit seinen mehr als 32.000 Mitarbeitern im vergangenen Geschäftsjahr 18,6 Milliarden Umsatz und verkaufte 309 Lichtmaschinen. Peking hätte gern welche erworben, damit dessen Industriestrategie „Made in China 2025“, nach der 70 Prozent der im Land benötigten Halbleiter selbst produziert werden sollen, endlich Gestalt annimmt. Aber die USA wissen das zu verhindern, Medienberichten zufolge auch mit politischem Druck auf die holländische Regierung, den Verkauf der Lichtmaschinen an Chinesen zu verbieten. 

Foto: Ein 1,5 Tonnen schweres Beleuchtungssystem von Zeiss: Wer den Kampf um die Digitalisierung gewinnen will, braucht diese Maschine