© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 45/22 / 04. November 2022

Die aktive Unterentwicklung des Landes vorangetrieben
Kubas Ruhe vor dem Sturm
(ob)

Für Gerd Koenen, den Historiker des Kommunismus, gibt es auch unter der verjüngten, 2021 etablierten Staats- und Parteiführung der sozialistischen Republik Kuba keine Hoffnung auf demokratisch-rechtsstaatliche Verhältnisse. Die Bilanz der „Kubanischen Revolution“ falle durchweg negativ aus. Seit Fidel Castros Machtergreifung im Jahr 1959 habe die Insel eine Million Menschen, den Großteil ihrer alten Eliten und ihres Mittelstands, ein Zehntel der ursprünglichen Bevölkerung, durch Flucht Richtung USA verloren. Die mittlerweile über 60 Jahre andauernde Geschichte des kubanischen Sozialismus, der sich aus „vielen gerechten Motiven und viel Enthusiasmus“ gespeist habe, bedeute im Resultat nicht nur eine brachiale sozialökonomische Entdifferenzierung und Vergröberung der Gesellschaft (Aus Politik und Zeitgeschichte, 39/2022). Castros Politik sei vielmehr auf „aktive Unterentwicklung“ dieses im lateinamerikanischen Vergleich relativ entwickelten Landes hinausgelaufen, das zeitweise tatsächlich zur buchstäblichen „Zuckerplantage“ degenerierte, die Vater Castro betrieben hatte. Und die scheinbare Ruhe, unter der die Insel heute nach dem Aufruhr im Sommer 2021 liegt, dürfte die vor einem Sturm sein, der sich erneut zum weltpolitischen Konflikt auswachsen könnte. 


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