© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 46/22 / 11. November 2022

Die Sorben sorgen sich
Staatsschutz ermittelt: Traditionelle christliche Kreuze der slawischen Minderheit in Sachsen werden zerstört / Kaum öffentliche Empörung
Paul Leonhard

Golden schimmert das Kruzifix in der Sonne. „Bozo, zohnuj nas!“ steht auf dem kleinen Wegkreuz: „Herr, segne uns!“ Hunderte solcher Glaubensbekenntnisse gibt es entlang der Landstraßen und Feldwege in der ostsächsischen Region um Bautzen. Mag Sachsen als das Kernland der Reformation gelten, hier im Siedlungsgebiet der slawischen Minderheit der Sorben, hier im Land der tausend Kreuze, wird fest am katholischen Glauben festgehalten, seit die Menschen von deutschen Missionaren dazu bekehrt wurden. Und um so mehr erschüttert es gerade die ländliche Bevölkerung, wenn die oft im Familienbesitz befindlichen Wegkreuze mutwilllig zerstört werden. Dann treffen die Christen sich, um in Sühnegottesdiensten Gott um Vergebung für diese Gotteslästerungen zu bitten und um Bekehrung für die, die solches tun.

Bisher nehmen es die Christen – katholisch wie evangelisch – eher stillschweigend hin, wenn ihre Friedhöfe von Metalldieben oder Vandalen heimgesucht und verwüstet werden. Selbst Städte, wie unlängst die Frauenkirche in Görlitz, bleiben nicht verschont. Und die Polizei sichert Spuren, kann aber so gut wie nie Täter präsentieren.

Im sorbischen Siedlungsgebiet werden dann die zerstörten oder gestohlenen Kreuze von den Eigentümern stillschweigend auf eigene Kosten repariert beziehungsweise neu angefertigt und unter Anteilnahme der Christen der umliegenden Dörfer wieder geweiht. In der Regel ohne größeren Medienrummel, um nicht den unbekannten Tätern durch zu große Aufmerksamkeit zusätzliche Bestätigung zu geben, wie ein sorbischer Pfarrer schon vor Jahren sagte. Denn Jahr für Jahr wird wohl mindestens ein Dutzend dieser Wegkreuze zerstört, was sorbische Politiker als „Ressentiments in Folge von Bildungsdefiziten“ bewerten, wobei mangels Ermittlungserfolgen unklar ist, ob es sich um symbolische Angriffe auf das Christentum im allgemeinen oder die katholischen Sorben im besonderen handelt.

Nachdem Ende Oktober an einem Tag gleich mehrere Wegkreuze zerstört wurden, ermittelt nun der für politisch motivierte Kriminalität zuständige Staatsschutz der Polizeidirektion Görlitz. Die Kreuze standen wenige Kilometer voneinander entfernt zwischen den sorbischen Dörfern Sollsch-witz und Saalau. 

Von zweien fehlen die Kreuze aus Metall, von einem weiteren wurde die kleine Platte mit der Aufschrift „Credo“ („Ich glaube“) abgerissen und bei einem vierten das Holzkreuz mit einem Corpus aus Metall abmontiert und auf den Kopf gestellt. Die beiden Schellen, die es hielten, wurde abgeschraubt und achtlos liegen gelassen. Weil in diesem Fall nichts entwendet wurde, ist es für Diakon Daniel Frank ein Zeichen, „daß es sich bei diesen Taten nicht um reinen Diebstahl gehandelt hat“, sondern um eine gezielte Provokation.

Das christliche Bekenntnis werde „mit Füßen getreten“, wettert Frank, Leiter des katholischen Büros Sachsen, einer nach eigenen Angaben staatsunabhängigen Kontakt- und Verbindungsstelle der katholischen Kirche in Deutschland beziehungsweise ihrer Bischöfe zu politischen und gesellschaftlichen Akteuren. Und der Vorwurf, den Ordinariatsrat Frank an die Staatsregierung und die Zivilgesellschaft richtet, hat es in sich: Bei anderen Glaubensgemeinschaften sei die gesellschaftliche Wachsamkeit groß, wenn es dort zu einem Angriff kommt, „das gleiche wünsche ich mir für unsere christlichen Kirchen“.

Gefährdung des öffentlichen Friedens

Auch das Bistum Dresden-Meißen im sich in jüngster Zeit so weltoffen und tolerant zeigenden Freistaat, will die Freveltaten nicht länger schweigend hinnehmen. Der örtliche Landtagsabgeordnete Aloysius Milwauschk (CDU) hat Sachsens Innenminister Armin Schuster eingeschaltet. Da die Schändungen offenbar systematisch organisiert wurden, gelten sie nicht mehr als einfache Sachbeschädigung, sondern müßten als Gefährdung des öffentlichen Friedens verfolgt werden, so die Forderung. Tatort sei schließlich das zweisprachigen Siedlungsgebiet einer nationalen Minderheit.