© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 46/22 / 11. November 2022

Grüße aus … London
Schmelztiegel der Welt
Julian Schneider

Der Slogan „Keep Britain White“, fand Winston Churchill 1955, könnte ein zugkräftiges Wahlkampfmotto der Tories sein. Jahrzehnte außereuropäischer Zuwanderung haben Großbritannien mehr verändert, als es Churchill es sich je hätte vorstellen können . London präsentiert sich so multiethnisch, multikulturell und multireligiös wie nie zuvor. 

Schon vor ein paar Jahren waren laut einer statistischen Erhebung 44 Prozent der Einwohner „BAME“ (Black, Asian, Minority Ethnic). Zwar sind die Nicht-Weißen vor allem in den ärmeren, einfacheren Vierteln wie Tower Hamlets und in Ost-London, mit vielen sozialen Problemen, überpräsent. Aber viele Nicht-Weiße sind beruflich erfolgreich und wohlhabend geworden. Die Spitze der Politik des Königreichs sieht nun ganz anders aus, als die ewigen linken Klagen über „strukturellen Rassismus“ vermuten ließen.

Eine Romantisierung der britischen Einwanderungs-gesellschaft wäre aber fehl am Platz. 

Ein indischstämmiger Hindu ist mit seiner indischen Frau in die Downing Street 10 eingezogen; auf der anderen Seite der Themse sitzt der muslimisch-pakastianischstämmige Labour-Politiker Sadiq Khan im Bürgermeisterbüro; Innenministerin Suella Braverman ist indischstämmige Buddhistin, Außenminister James Cleverlys Mutter kam aus Sierra Leone. „Ignoriert, was die Zyniker sagen. Britannien ist der größte Schmelztiegel der Welt geworden“, schreibt Fraser Nelson, Chefredakteur des konservativen Spectator-Magazins, der gleich eine Doppelseite im Sunday Telegraph mit seiner Analyse füllt. Er reagierte damit auf die etwas dümmliche Polemik eines US-Komikers, der den Briten unterstellte, sie wären beunruhigt, daß die Sunaks indische Wurzeln haben.

Eine Romantisierung der britischen Einwanderungsgesellschaft wäre aber fehl am Platz. Immer wieder brechen Spannungen auf. Im September krachten in Leicester, der alten Textilindustriestadt, muslimische und hinduistische Gruppen aneinander. Nach tagelangen gewalttätigen Ausschreitungen nahm die Polizei 47 Personen fest. In London grassiert die Messerkriminalität, besonders in der BAME-Bevölkerung. Fast jede Woche lesen wir von ein bis zwei tödlichen „Stabbing“-Opfern. Mehr als die Hälfte der meist jugendlichen Täter und Opfer sind Dunkelhäutige.

Der Wunsch nach Kontrolle der starken Zuwanderung mit allen, nicht nur unerfreulichen Folgen war ein Hauptmotiv der Brexit-Wähler. Seitdem sank die EU-Zuwanderung, die Zahl der nichteuropäischen Zuwanderer ist aber gestiegen. Dieses Jahr sind schon etwa 40.000 Bootsmigranten über den Ärmelkanal gekommen. Ironischerweise sind es zwei indischstämmige Innenministerinnen, erst Priti Patel, jetzt Suella Braverman, die als Hardliner gegen diese Bootsmigranten vorgehen wollen – bislang aber vergeblich.