© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 46/22 / 11. November 2022

Schneller als die Banken
Pfandleihe: Während sich die Wirtschaft auf dem Weg in die Rezession befindet, boomt die Branche
Josef Hämmerling

Statt, wie eigentlich normal, einen Kredit von ihrer Bank zu bekommen, ging die Friseurmeisterin Maria F. einen anderen Weg. „Ohne einen kurzfristigen Kredit hätte ich meinen Laden zumachen können“, erklärt sie. Nach einem rund 4.000 Euro teuren Wasserschaden, der ja kurzfristig behoben werden muß, hätte die Bearbeitung der Bank zu lange gedauert. So ging die 34jährige zu einem Pfandhaus, das auch Automobile beleiht, und bekam noch am selben Tag 3.000 Euro. Der Friseur-salon war damit gerettet, das Auto wurde nach Erhalt des Bankkredits wieder ausgelöst. Beispiele  wie dieses auf 123pfand.de geschilderte gibt es viele weitere, die zeigen, daß Pfandleihhäuser oftmals der schnellere und vor allem unkompliziertere Weg sind, um kurzfristig an Geld zu kommen. So wie auch bei der medizinischen Fachangestellten Jutta, der die Waschmaschine kaputtging. Die 1.000 Euro bekam sie ebenfalls binnen weniger Stunden durch die Beleihung ihres Autos. Nach der Lohnzahlung zwei Wochen später wurde der Wagen ausgelöst, und die Gebühren waren niedriger als bei einem Dispokredit der Banken.

Wahrscheinlich werden in nächster Zeit mehr und mehr Menschen diesen Weg gehen (müssen). Während sich die deutsche Wirtschaft auf dem Weg in die Rezession befindet, boomt die Branche der Pfandleihhäuser. Deren Umsatz hat sich in den fünf Jahren zwischen 2015 und 2020, dem letzten, für das offiziell Zahlen vorliegen, von 52,25 auf 108,85 Millionen Euro mehr als verdoppelt – mit deutlich weiter steigender Tendenz im zweistelligen Prozentbereich. 

Vorteil: Keine Schufa-Abfrage, es genügt der Personalausweis

Zwar ist dieser Umsatz noch weit vom Rekord  von 296,17 Millionen Euro aus dem Jahr 2020 entfernt, doch basierte dieser auf dem Rekordhoch beim Gold, das viele Leute veranlaßte, mit Goldschmuck- und -münzen unkompliziert Anschaffungen zu tätigen. Im Gegensatz zu damals sind es heute aber vor allem Geldnöte und eine immer restriktiver werdende Kreditpolitik der Banken, die Leute zum Gang in die Pfandhäuser zwingen. Denn nirgendwo sonst als dort kann man Vermögensgegenstände schnell und unkompliziert zu Geld machen. So dauern die meisten Besuche auch nur Minuten.

Thomas Käfer stellte in seinem Münchner Leihhaus am Hauptbahnhof denn auch fest, daß es derzeit „deutlich mehr und schnellere Zuwächse als in der Vergangenheit“ gibt, bei gleichzeitig immer niedriger werdender Auslösung. Lag diese früher zwischen 90 und 93 Prozent der beliehenen Sachen, seien es jetzt nur noch 86 bis 90 Prozent. Geändert hätten sich auch die beliehenen Güter, hin zu „deutlich mehr hochpreisigen Gegenständen, wie zum Beispiel Armbanduhren von Luxusmarken“. 

Käfer, der schon seit 23 Jahren im Geschäft ist und eines der größten Pfandleihhäuser Münchens betreibt, weist darauf hin, daß es entgegen der Erwartung vieler eben nicht arme Leute sind, die ein Pfandhaus in Anspruch nehmen. „Arme Leute haben keine Vermögensgegenstände, wie hochwertigen Schmuck, Luxus-Armbanduhren oder Gold, das sie zu Geld machen können“, betont der 62jährige gegenüber der JUNGEN FREIHEIT. Vielmehr seien es oftmals gutsituierte Männer und Frauen, die angesichts der jüngsten Entwicklung in Deutschland in Finanznöte geraten sind, oftmals auch nur vorübergehend, bis etwa langfristige Kredite abgeschlossen werden. Oder es sind Lücken bis zur Auszahlung von Sparverträgen oder auch der Rente beziehungsweise des Gehalts, die geschlossen werden müssen. Das kann je nach Bank durchaus Wochen dauern. 

„Es gibt viele Gründe, was man ja auch daran sieht, daß trotz sinkender Prozentzahl die meisten dieser Gegenstände binnen der gesetzlich vorgeschriebenen Leihfrist abgeholt werden“, so der Münchner. Natürlich gebe es auch die in den Medien meist gezeigten Fälle des Studenten oder der Rentnerin, die um den 20. des Monats Computer oder Ehering verpfänden, um Geld bis zur Zahlung des Bafögs oder der Rente zu haben, doch sei dies umsatzmäßig nur ein kleiner Teil der Klientel der Pfandleihhäuser.

Käfer betont, daß die Pfandleihe  der klassische und auch am einfachsten umsetzbare Kredit sei. Es würden keine Sicherheiten verlangt, es gebe keine Abfragen bei der Schufa oder anderen Organisationen und man gerate auch nicht in die persönliche Haftung. Es reicht der Personalausweis. Vor allem seien die Modalitäten vom Gesetzgeber genau vorgeschrieben, so daß man bei den konzessionierten Leihhäusern nicht Gefahr laufe, über den Tisch gezogen zu werden. 

So seien zum Beispiel die Kosten genau vorgegeben. Diese liegen monatlich bei einem Prozent des Pfandwertes, bei 1.000 Euro also bei zehn Euro. Dazu kommen noch Gebühren, die durch die gesetzliche Pfandleiherverordnung festgelegt sind. Bei Leihbeträgen zwischen 1 und 300 Euro liegen diese zwischen 1 und 6,50 Euro, über 300 Euro sind sie frei verhandelbar. Danach habe man drei Monate plus einen Karenzmonat Zeit, die beliehenen Gegenstände wieder auszulösen – oder die Beleihung zu gleichen Konditionen zu verlängern. Allerdings liegen die Zinsen dann gegenüber einem Kredit deutlich höher.

Viele haben Angst, daß das Pfandleihhaus einen Gegenstand zu niedrig bewertet. Doch diese haben daran keinerlei Interesse. Werden die beliehenen Sachen nicht ausgelöst, müssen sie in einer öffentlichen Auktion versteigert werden. Und wird der Pfandgegenstand dort zu einem Preis versteigert, der über der Leihe liegt, steht der Gewinn dem Verpfänder zu und muß diesem ausgezahlt werden – allerdings erst nach Aufforderung. 

Gibt es einen Mindererlös, muß das Leihhaus diesen selbst tragen. Von daher bewertet jeder Verleiher schon aus Eigeninteresse die Wertgegenstände so nahe wie möglich am bei einer Versteigerung zu erzielenden Mindestpreis. Etwas schwieriger wird es bei im Wert volatilen Gegenständen, wie etwa bei Aktien oder auch Edelmetallen, da dort an den Börsen jeden Tag neue Preise festgestellt werden. Allerdings kann dies für den Verpfänder auch positiv werden. 

Thomas Käfer weiß von Fällen, in denen Verpfänder ihre Gegenstände am freien Markt für weniger zurückkaufen konnten, als sie bei der Auslösung ihrer Pfänder hätten bezahlen müssen. Das stelle sicherlich die absolute Ausnahme dar, sei aber auch schon passiert.

Der Verpfänder hat das Recht, sein Pfand jederzeit auszulösen

Die im Falle eines Falles stattfindende Versteigerung ist zudem klar geregelt. „Wird ein Pfand nicht ausgelöst, so muß es nach der Pfandleiherverordnung versteigert werden, und zwar innerhalb von sechs Monaten nach Eintritt der Fälligkeit“, erläutert Susanne Rothfuß-Wamsler, Vorsitzende des Zentralverbands des Deutschen Pfandkreditgewerbes (ZdP), das Prozedere. Die Versteigerung darf nur durch einen Gerichtsvollzieher oder öffentlich bestellten und vereidigten Versteigerer durchgeführt werden. „Ein reiner Auktionator, der diese von der zuständigen Behörde erteilte öffentliche Bestellung und Vereidigung nicht besitzt, darf das beispielsweise nicht“, verweist Rothfuß-Wamsler auf die strengen Bedingungen. Der Verpfänder hat das Recht, sein Pfand jederzeit auszulösen, im Extremfall auch noch eine Minute vor der Versteigerung.

Käfer rät Neukunden, „am besten die größeren Leihhäuser, die schon seit Jahrzehnten am Markt sind, zu besuchen“. Auch sollte man keine überzogenen Vorstellungen vom Wert haben. So ist nicht der Neupreis  ausschlaggebend, vielmehr wird vom Zeitwert ausgegangen. Die Kreditsumme ist auch niedriger, als wenn man den Gegenstand verkaufen würde. Deshalb sollte man das Pfandleihhaus nur dann in Anspruch nehmen, wenn es eine realistische Chance gibt, den Kredit zu bedienen, sonst ist ein Verkauf besser. 

Der Münchner sieht keine Gefahr, daß durch die derzeitige Entwicklung die Pfandleihhäuser ebenfalls in eine Krise geraten und Sachen nicht mehr beleihen können. „Die deutlich überwiegende Anzahl der Pfandleiher sind seit Jahrzehnten am Markt, stark kapitalisiert und können zusätzliches Kapital bei Bedarf realisieren. Ich sehe keine Gefahr, daß man die gesteigerte Nachfrage nicht bedienen kann.“

Grundsätzlich beleihen die ZdP-Mitgliedsbetriebe vor allem Gold- und Silberschmuck, Goldmünzen und -barren, Markenuhren sowie Luxus- und Designer-Accessoires, wie beispielsweise Marken-Taschen oder -Schreibgeräte. Hinzu kommen Antiquitäten, Kunstgegenstände, wertvolles Porzellan sowie Musikinstrumente. 

„Gerade solche Gegenstände, die einen stabilen Wert aufweisen, werden gerne von Pfandhäusern angenommen“, betont ZdP-Geschäftsführer Wolfgang Schedl. Einige Pfandleiher haben sich sogar auf bestimmte Segmente spezialisiert. So können in einigen Städten auch wertvolle Bücher, Autos und sogar Motorboote und Bagger als Pfand hinterlegt werden. 

Der Zentralverband gebe per Anruf oder E-Mail gern Auskunft, wo man spezielle Gegenstände am besten beleihen kann. Mehr als 250 Pfandleihhäuser sind im ZdP organisiert. Jährlich werden über 630 Millionen Euro, bei weiter steigender Tendenz, an Krediten ausgezahlt. Seit der Gründung des Verbandes 1950 gab es knapp 140.000 Kreditvergaben. Das zeigt, daß sich das Pfandleihwesen inzwischen fest auf dem Markt etabliert hat.

Fotos: Ein Mitarbeiter der Städtischen Pfandleihe Stuttgart taxiert ein Kreuz einer Goldkette mit einer Lupe: Man sollte keine überzogenen Vorstellungen vom Wert haben; Eine Interessentin  steht vor einem Pfandleihhaus in München: Viele haben Angst, daß das Pfandleihhaus einen Gegenstand zu niedrig bewertet. Doch diese haben daran keinerlei Interesse