© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 46/22 / 11. November 2022

Zeitschriftenkritik: Karfunkel
Byzanz und die Hexen von Salem
Werner Olles

In den populären Erzählungen Europas stehen im Westen das christliche Abendland und im Osten der islamische Orient. In Wirklichkeit verliefen im Westen Eurasiens jedoch drei kulturelle Sphären: der katholisch-lateinische Westen, das orthodoxe Byzanz sowie der islamische Osten. Mit der Geschichte des „zweiten Rom“ befaßt sich die aktuelle Ausgabe (4/2022) der Vierteljahresschrift Karfunkel. Tatsächlich war das Byzantinische Reich kein neues Imperium, sondern der Osten des Imperium Romanum. Die Vermischung römischer und griechischer Traditionen wurde elementar für die Entwicklung des Imperiums: der intellektuelle und kulturelle Input war griechisch, die militärische Praxis und Verwaltungsorganisation römisch. 800 Jahre hielten die Byzantiner die islamische Expansion auf, doch der Konflikt zwischen dem Papst in Rom und dem Patriarchen am Bosporus besiegelte nicht nur die Trennung zwischen katholischer und orthodoxer Kirche, Byzanz wurde auch zur Antithese der „westlichen Zivilisation“. Montesquieu benutzte das Wort byzantinisch als Synonym für Dekadenz, während der Historiker Edward Gibbon in Byzanz eine Monströsität aus Aberglauben und Barbarei sah. Heute wissen wir jedoch, daß diese Vorurteile falsch waren. Das byzantinische Erbe überdauerte in den Vorstelllungen, Normen, Riten und Traditionen der orthodoxen Kirche in Rußland, Griechenland und Serbien sowie in der Kultur Ost- und Südosteuropas.

Zwischen Februar 1692 und Mai 1663 fanden in der Massachusetts Bay Kolonie die berüchtigten „Hexenprozesse von Salem“ statt. Ein historisches Geschehen, das noch heute Salem zu einer großen touristischen Attraktion macht. Die Gründe für diese Tragödie werden immer noch von Historikern erörtert, und man vermutet, daß die Hexenprozesse durch das sonderbare Verhalten der „heimgesuchten Mädchen“ bei der Ausübung heidnischer Praktiken, insbesondere dem Wahrsagen zustande kamen. Das war der Moment, in dem die Hexenjagd begann und die Mädchen beschuldigt wurden, schwarze Magie zu praktizieren und einen Pakt mit dem Teufel geschlossen zu haben. Vor den Beschuldigten lag ein düsteres Schicksal mit Todesurteilen und Folter, die Bewohner Salems ließen sich von der Hysterie anstecken und waren schnell von der Schuld der jungen Frauen überzeugt. Doch schon wenige Jahre nach Ende der Hexenjagd bedauerten die Kolonisten, was geschehen war, und im Jahr 1697 wurde ein Fasttag in Erinnerung an die Ereignisse eingelegt, gefolgt von einer juristischen Erklärung, die die Prozesse als ungesetzlich erklärte.

Weitere Beiträge befassen sich mit „Juden in den mittelalterlichen Wissenschaften“, der „Häresie von Orleans“ und „550 Jahre Solinger Schwertschmiede-Privileg“.

Kontakt: Karfunkel Verlag, Marienhöhe 1, 74706 Osterburken. Das Einzelheft kostet 6,90 Euro, ein Jahresabo 24 Euro.

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