© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 46/22 / 11. November 2022

Ukraine: Deutsche Außenpolitik in Bidens Schlepptau
Moralisierender Provinzialismus
(ob)

Der emeritierte Bonner Politologe Christian Hacke zählt zu den prominentesten professoralen Kommentatoren deutscher Außenpolitik. Was er dazu äußert, ist jedoch seit Urzeiten stets deckungsgleich mit Positionen der jeweils amtierenden Bundesregierung. Moderat kritisch ist der eingefleischte „Atlantiker“ nur dann, wenn er die Berliner Republik mit der nostalgischen Elle des „silbernen Zeitalters“ vor 1989 mißt, als Bonn durch „ökonomische Prosperität über seine Außenpolitik zivilisatorische und kulturelle Attraktivität ins Weltsystem ausgestrahlt hat“. Um so sensationeller wirkt nun Hackes scharfe Abrechnung mit dem heutigen Kurs der Ampel-Koalition (Politikum, 3/2022). Habe die Merkel-Regierung seit 2014 wenigstens noch versucht, den US-Einfluß in Osteuropa einzudämmen und eine Neutralitätslösung für die Ukraine zu finden, kapitulierten Kanzler Scholz und Außenministerin Baerbock vor einem US-Präsidenten Biden, der die Konfrontation mit Putin suche. Dessen Kalkül sei nicht auf Kriegsverhinderung abgestellt, sondern darauf, Rußland „ausbluten“ zu lassen. In seinem Schlepptau irrlichtere das Auswärtige Amt ohne Kompaß, die Kunst der Diplomatie scheine dieses verlernt zu haben. Moralisierender Provinzialismus herrsche vor, wo die „Menschenrechte als Maß aller Dinge“ eine realistische Politik erschweren. 


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