© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 46/22 / 11. November 2022

Die Briten vor einer Ära der Ungewißheit und Angst
Maritime Identität des Empire
(wm)

Im Geburtsjahr Königin Elisabeths II., 1926, fuhren britische Kanonenboote den Jangtsekiang hinauf und beschossen im Rahmen eines Handelskonflikts die Stadt Wanzhou. 1927 veröffentlichte ein Admiral der Royal Navy ein Buch mit dem Titel „Rulers of the Indian Ocean“, das ungebrochen die Vorherrschaft der britischen Seemacht zwischen Asien, Afrika und Australien verkündete. Auch 1952, als Elisabeth den Thron bestieg, gehörte die Westküste des Indischen Ozeans großenteils noch zum Britischen Empire, und in Afrika reiste man von der Sahara bis zum Kap, ohne den Boden britischer Kolonien und Dominions verlassen zu müssen. Mit dem Tod der Königin vor zwei Monaten ist für den Londoner Wirtschaftsjournalisten Jeremy Cliffe daher ein „letztes lebendes Bindeglied zur spät- und unmittelbar postimperialen Vergangenheit“ Großbritanniens verschwunden (Blätter für deutsche und internationale Politik, 10/2022). Trotzdem lebe die imperiale Welt fort. Jahrhunderte als maritimes Empire hätten die Grundstruktur des Landes sogar bis heute stark geprägt. Vor allem den Nationalcharakter. Ob diese Identität, zu der auch die Monarchie zähle, der Ära „intensiver Ungewißheit und Angst“, die pünktlich mit dem Elisabeths Tod begonnen habe, standhalte, scheint für den 1987 geborenen Cliffe fraglich. 


 www.blaetter.de