© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 46/22 / 11. November 2022

Im Schatten des Fußballs
Von Kampfsport bis Fahrradfahren: Auch bei anderen Sportarten versucht die arabische Welt, ihre Soft Power zu stärken
Boris T. Kaiser

Katar hat gerade einen Lauf. Noch vor dem Anpfiff der umstrittenen Fußballweltmeisterschaft am 20. November hat der asiatische Kontinentalverband bekanntgegeben, daß das Land auch die Asien-Meisterschaft 2023 austragen darf. Die Wettbewerbe haben Symbolcharakter für die islamische Monarchie und spielen eine Schlüsselrolle bei der „Soft Power“ vieler Staaten in der Region.

Denn parallel zum Fußball versucht die islamische Welt derzeit auf vielen Wegen mit Hilfe von Turnieren, Profisportlern und Fitneß-Influencern bei westlichen Sportfans und dem Geschäft mit ihnen Fuß zu fassen. Eine besondere Vorreiterrolle hat dabei die Formel 1. Bereits seit 2004 gehört der „Große Preis von Bahrain“ zu den fixen Austragungsorten der Rennen. In diesem Jahr durfte der „Große Preis von Saudi-Arabien“ nachziehen. Großes Ziel der Wahhabiten und Förderer des politischen Islams ist die Austragung der Olympischen Sommerspiele im Jahr 2036. 

Als weiterer aussichtsreicher Kandidat gilt die Arabische Republik Ägypten. Präsident Abdel Fattah as-Sisi läßt bereits kräftig bauen. So entsteht in dem Land gerade eine neue Hauptstadt rund 50 Kilometer östlich von Kairo. Ganz in der Nähe stampfen die Araber die „International Olympic City“ aus dem Boden, um den Sport zu fördern und die Chancen der Region auf die Ausrichtung von großen Ereignissen zu verbessern. Geplant ist unter anderem ein Stadion für 90.000 Zuschauer sowie zwei überdachte Arenen für insgesamt 23.000 Zuschauer und Anlagen für Reit- und Schwimmwettbewerbe. Im Bewerbungskampf könnte sich Ägypten möglicherweise auch der Konkurrenz einer gemeinsamen Bewerbung von Berlin und Tel Aviv stellen müssen, was der ganzen Sache noch mal eine besondere Würze verleihen dürfte.

Schon 2029 finden in Saudi-Arabien die asiatischen Winterspiele statt. Austragungsort wird ein künstliches Berggebiet mit dem treffend klingenden Namen Trojena sein. Das Areal soll Teil der futuristischen Planstadt „Neom“ werden, die sich 170 Kilometer entlang des Roten Meeres erstrecken wird. Der Menschenrechtsorganisation ALQST zufolge wurden am 2. Oktober vor dem saudischen Sonderstrafgericht drei Männer zum Tode verurteilt, weil sie gegen die Vertreibung der in der Gegend ansässigen Bevölkerung protestierten. Weitere 150 Widerständler sollen derzeit im Gefängnis sitzen.

Auch im Sport gilt: Wo der Westen Schwäche zeigt, trumpft die arabische Welt mit Stärke auf. Während des internationalen Corona-Lockdowns entstand im arabischen Emirat Abu Dhabi ein Freizeitvergnügen der besonderen Art. Der amerikanische Geschäftsmann Dana White, Präsident der Ultimate Fighting Championship (UFC), machte die arabische Insel Yas Island kurzerhand zur „Fight Island“ – und bot dort einen „Safe Space“ für Sportler und Touristen an, die einen negativen Covid-Test vorweisen konnten und keine Lust hatten, auf ihre geliebten Mixed-Martial-Arts-Kämpfe zu verzichten. Am 24. Oktober fand hier unter anderem der Highlight-Profikampf zwischen dem damaligen Champion und MMA-Superstar Khabib Nurmagomedov und Justin Gaethje statt.

Duelle auf der „Fight Island“

In Dubai und Bahrain existieren zudem UFC-Gyms, die sich neben zahlreichen top ausgestatteten Freelathics-Arealen und Fitneßstudios in der Region einreihen. Und wer die Luxussportwagen auf dem Dubai Autodrome mal stehen lassen und stattdessen lieber in die Pedale treten möchte, kann in Dubai zwischen touristisch beworbenen Fahrradrouten wie beispielsweise einem alten Kamel-Pfad und einer Wüstenstrecke wählen – oder mit etwas Training an der UAE Tour teilnehmen; das „einzige World-Tour-Rennen im Mittleren Osten“ wie der Abu Dhabi Sports Council stolz schreibt.

Daß starke Männer in der arabischen Welt stets willkommen sind, zeigen auch die regelmäßigen Events der amerikanischen Wrestling-Organisation WWE. Seit 2014 schlägt World Wrestling Entertainment mindestens einmal im Jahr mit einer Großveranstaltung in Saudi-Arabien auf. Die westliche Unterhaltung läßt sich das saudische Königshaus einiges kosten: geschätzte rund 50 Millionen Dollar pro Event. Während die Scheichs schon zahlreiche Stars der Altherren-Riege wie den Undertaker oder Hulk Hogan mit ihrem Geld aus dem Ruhestand lockten, mußten die weiblichen Wrestler in der Vergangenheit regelmäßig zu Hause bleiben. Arabisches Geld gibt es eben nicht ohne islamische Werte. 

Wer es haben will, muß sich mitunter bis zur Groteske verbiegen. 2021 fand in Katars Hauptstadt Doha erstmals ein Beach-Volleyballturnier für Frauen statt. Die scheinbar liberale Offerte der Scheichs war in Wahrheit eine willkommene Gelegenheit, den Teilnehmerinnen die islamischen Kleiderordnung fern der üblichen Strandbikinis aufzuerlegen. Die deutschen Spielerinnen Karla Borger und Julia Sude wollten sich nicht in dieser Weise moralisch prostituieren und verzichteten deshalb auf eine Teilnahme an dem hoch dotierten Vier-Sterne-Turnier – und damit auf wichtige Punkte für die Olympia-Qualifikation. Die Freiheit hat eben tatsächlich ihren Preis.