© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 46/22 / 11. November 2022

Haltungsnote
Doppelmoral über den Wolken
Gil Barkei

Würden deutsche Journalisten für jede doppelmoralische Aussage einen Euro bekommen, könnten hiesige Redaktionen eine ordentliche Millionärsdichte vorweisen. Neuartige Weltreligionen wie die Klimarettung laden Selbstgerechte dazu ein, Wasser zu predigen und Wein zu saufen. 

So auch Markus Decker. „Ja, die Letzte Generation muß sich rechtfertigen“, twitterte der Journalist des Redaktionsnetzwerks Deutschland angesichts der Klebe-Blockaden im Straßenverkehr. „Aber rechtfertigen müssen sich auch die, die große Autos fahren, immer noch Fleisch essen und in die Herbstferien fliegen. Im Grunde müssen sie sich noch mehr rechtfertigen.“ Blöd nur, daß Decker selbst nur wenige Tage zuvor einen träumerischen Schnappschuß aus dem Fenster eines Passagierflugzeuges postete: „Die Sonne über Doha. Katar“ Über den Wolken muß die Freiheit zur Heuchelei wohl grenzenlos sein – und das ausgerechnet über dem klimaneutralen Menschenrechtsgaranten auf der Arabischen Halbinsel. Die Empörung und Häme in den sozialen Netzwerken verschlimmbesserte Decker noch fern jeglicher Selbstreflexion: „In der Wohlstands- und Anspruchsgesellschaft gibt es keinen größeren Skandal als die Aufforderung zum Verzicht. Verzicht ist einfach nicht vorgesehen.“ Und stilisierte sich zum Aufklärer: „Es geht nicht nur um das Klima. Es geht auch um die Zukunft der Aufklärung.“