© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 47/22 / 18. November 2022

Proteste gegen Fußball-WM in Katar
Medienwirksame Verlogenheit
Boris T. Kaiser

Deutschlands Politik und Medien sind entsetzt. Katar, absolute Monarchie und Gastgeber der diesjährigen Fußball-Weltmeisterschaft, ist ein frauenfeindlicher und Homosexuellen haßerfüllt gegenüberstehender autoritärer Staat. Wer hätte das nur gedacht? Die ideologisch-religiösen Gründe für diese antiliberalen Zustände verschweigen die Entsetzten zwar meist, die Empörung, die sie jetzt medienwirksam zu Markte tragen, ist dafür aber um so größer.

Es ist noch nicht so lange her, da bestand die größte Sorge vieler Medienvertreter und prominenter Fußballfans darin, daß es bei der WM in dem arabischen Land kein Bier geben könnte. Nun wollen aber alle dabeisein, bei der großen Show der Menschenrechte, bei der das Anprangern wieder einmal zum guten Ton gehört. Es paßt halt auch gerade so gut. Wer sowieso gerade dabei ist, sich aus „Solidarität mit den Frauen im Iran“ vor laufenden Kameras die Haare abzuschneiden – oder zumindest auf Twitter „mutig“ gegen die Mullahs anzuschreiben, der kann auch gleich noch ein Statement gegen den moralischen Sündenfall des Weltfußballs dranhängen. Beim nächsten politischen Gas-Bettelgang wird man dann natürlich dennoch wieder ganz freundlich zu den Scheichs sein. Pragmatisch westliche Moral könnte man das Ganze nennen. Deutsche Verlogenheit wäre allerdings der deutlich treffendere Ausdruck.