© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 47/22 / 18. November 2022

Die Chefetage wechseln
Die Republikanische Partei muß sich nach den Midterms dringend verändern
Pedro Gonzalez

Obwohl die US-Amerikaner Präsident Joe Biden gemäß Umfragen mit überwältigender Mehrheit ablehnen, haben sie die Republikanische Partei nicht wie erwartet auf einer „roten Welle“ an die Macht gespült. Die Demokraten werden wohl die Kontrolle über den US-Senat behalten, während die Republikaner zumindest das Repräsentantenhaus für sich entscheiden konnten.  

Trotz des enttäuschenden Abschneidens gibt es für die republikanische Basis einen kleinen Silberstreif am Horizont: Ein überfälliger Wechsel an der Parteispitze könnte Realität werden. Viele Wähler fühlen sich im Stich gelassen und verraten – aus gutem Grund. In wichtigen Kandidaturen haben führende Republikaner aktiv Personen sabotiert, die sie als Bedrohung für ihr eigenes politisches Überleben ansahen. 

Zunächst wäre da Kevin McCarthy, der Vorsitzende der Republikaner im Repräsentantenhaus. Die politische Maschinerie um McCarthy gab Millionen von Dollar aus, um Kandidaten und Amtsinhaber wie Joe Kent in Washington oder Anthony Sabatini in Florida – zwei Republikaner – zu untergraben. Beide stellten den Status quo in Frage und distanzierten sich von der Parteiführung. Der Fall von Kent ist besonders ärgerlich. Er diente von 1998 bis 2018 in der Armee und kämpfte in Kriegen, die vom politischen Establishment befürwortet wurden. Seine Frau Shannon wurde im Dienst in Syrien getötet.  

Aufgrund seines militärischen Hintergrunds brach Kent wie mittlerweile viele andere mit dem interventionistischen Konsens der Republikanischen Partei und unterstützte stattdessen eine zurückhaltende und verantwortungsvolle Außenpolitik. McCarthys Verbündete gaben enorme Summen aus, um ihn mit irreführenden Fernsehspots als heimlichen Linken anzugreifen. Kent verlor nur knapp gegen seine Gegnerin, die Demokratin Marie Gluesenkamp Perez.

McCarthy ist jedoch nicht das einzige Problem. Im Bundesstaat Arizona weigerte sich der Minderheitenführer im Senat, Mitch McConnell, dem Republikaner Blake Masters in seinem Rennen finanzielle Unterstützung zu gewähren. Im September strich der „Senate Leadership Fund“, ein mit McConnell verbündeter Spendenfonds, fast 10 Millionen Dollar, die er für Fernsehwerbung in diesem Bundesstaat reserviert hatte. Wie Kent und Sabatini gehörte Masters zu einer aufstrebenden Gruppe junger Republikaner, die die etablierte Führung in Frage stellen. Das hat McConnell offenbar mißfallen. Und so leitete er die Mittel auf Kandidaten um, die dem Establishment näher stehen und seine eigene Macht im Senat möglicherweise weniger bedrohen. Kurzum: Zumindest ein gewichtiger Grund für die schwache Leistung der Republikaner war, daß sie es wollten – und zwar aus kleinlichem Eigeninteresse. Diese Leute waren bereit, ihrer Basis in den Rücken zu fallen, wenn das bedeutete, daß ihre exklusive kleine Partei ungestört bleiben würde. Aber wie es scheint, haben McCarthy und McConnell ihr Spiel übertrieben.

Wenn die Republikaner das Repräsentantenhaus mit einer knappen Mehrheit gewinnen, wird McCarthy die Unterstützung praktisch aller Republikaner benötigen, um Parteichef zu bleiben. Gegenwärtig planen eine Handvoll seiner Kollegen, McCarthy den Vorsitz zu verweigern. Und es bräuchte auch nur eine Handvoll an Leuten, um McCarthy auszuschalten. Auch im Senat sieht sich McConnell einer möglichen Revolte gegenüber. Mehrere republikanische Senatoren wollen ihn stürzen. Dies ist eine bedeutende Entwicklung, da McConnell seit 2007 die Führungsposition innehat. Das könnte jetzt ein Ende haben, und es ist auch dringend notwendig. 

Klar, neben der schlechten Führung gibt es sicherlich noch andere Faktoren, die zum Ausgang der Zwischenwahlen beigetragen haben. So zum Beispiel die Abtreibungsdebatte oder die ernüchternde Tatsache, daß ein erheblicher Teil der Bevölkerung sich ganz einfach nicht an mehr Kriminalität, mehr illegaler Einwanderung, mehr Inflation und mehr Krieg stört. Und so läßt sich auch die derzeitige Dynamik des „Zweiparteiensystems“ verstehen, in dem eine Partei zum Sieg und die andere zur ewigen Niederlage bestimmt ist.

Wären die Demokraten und die Republikaner Basketballmannschaften, träten sie als die Showteams Harlem Globetrotters und Washington Generals auf. Die Generals fungierten bei jedem Spiel nur als Handlanger der Globetrotters; der ewige Gegner, der zur Belustigung des Publikums eine Niederlage einstecken mußte. Unser politisches Spektakel hat bloß nicht den Charme dieser Schaukämpfe. Es steht viel mehr auf dem Spiel. Die US-Amerikaner brauchen eine echte Führungspersönlichkeit, um die vor ihnen liegenden Tage zu überstehen – und die gibt es in der Republikanischen Partei, wie sie sich derzeit zusammensetzt, nicht.

Donald Trump ist die wahrscheinlich einzige Person mit der Macht, etwas dagegen zu tun. Theoretisch könnte er zu einer radikalen Umstrukturierung der Partei aufrufen. Doch leider ist der ehemalige Präsident eher damit beschäftigt, potentielle Herausforderer, wie den beliebten republikanischen Gouverneur von Florida, Ron DeSantis, präventiv anzugreifen. Trump beschuldigte ihn der Illoyalität, doch der Midterm-Gewinner hat bislang weder auf die Sticheleien geantwortet, noch angedeutet, daß er eine Präsidentschaftskandidatur in Betracht zieht. 

In der Zwischenzeit unterstützt Trump sogar McCarthy, um dessen Führungsrolle zu halten, obwohl McCarthy absichtlich Trump-freundliche Kandidaten sabotiert. Ob sich Trumps Unterstützerbasis zugunsten von DeSantis verschieben könnte, ist unklar. Der Gouverneur ist zwar beliebt, aber viele sind der Ansicht, daß er seinen derzeitigen Erfolg Trump verdankt, der ihn lange Jahre förderte. Eine Auseinandersetzung mit Trump könnte DeSantis langfristig schaden, da sie ihn wie einen Agenten des Establishments erscheinen lassen würde, der versucht, den populistischen Tribun politisch zu ermorden. Doch die Konzentration auf die Präsidentschaftswahlen 2024 könnte ohnehin überflüssig sein, wenn die Partei auf der Führungsebene nicht endlich grundlegend umgestaltet wird und der einzige Mann, der dazu in der Lage wäre, von kleinlichen Streitigkeiten abgelenkt zu sein scheint.






Pedro Gonzalez ist „Senior Writer“ des US-Magazins „Chronicles“.