© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 47/22 / 18. November 2022

Zwischen Reichstag und Kanzleramt
Nicht kleckern, klotzen
Paul Rosen

Rund 2.900 Beschäftigte zählt der Deutsche Bundestag inzwischen. Bei den Haushaltsberatungen für den Etat 2023 wurden in der sogenannten Bereinigungssitzung des Haushaltsausschusses noch ganz schnell 85 neue Planstellen hinzugefügt. Damit kommen auf jeden der 736 Abgeordneten rund vier Verwaltungsbeschäftigte.

Insgesamt soll das Parlament im nächsten Jahr für eigene Zwecke rund 1,14 Milliarden Euro ausgeben. Und dabei fällt auf, daß Themenfelder erweitert werden, die mit dem eigentlichen Auftrag der Gesetzgebung und Kontrolle der Regierung bestenfalls am Rande zu tun haben. So finanziert der Bundestag mit 3,7 Millionen Euro ein „Institut für Menschenrechte“, das als eingetragener Verein organisiert ist. Zu den bereits bestehenden 48 Planstellen wurden vom Haushaltsausschuß weitere zwölf hinzugefügt. Das Institut kam in einem Gutachten mit dem Titel „Staatliche Gelder für rassistische und rechtsextremistische Bildungsarbeit“ zum Ergebnis, daß parteinahe Stiftungen zwar grundsätzlich erwarten könnten, Mittel des Bundes zu erhalten. Doch eine Stiftung, die rassistisches und rechtsextremes Gedankengut verbreite beziehungsweise relativiere, dürfe grundsätzlich nicht staatlich gefördert werden. Das Gutachten bezog sich auf die von der Staatsförderung ausgeschlossene AfD-nahe Desiderius-Erasmus-Stiftung. Im Ergebnis heißt das: Derselbe Haushaltsausschuß, der die Mittel für die Desiderius-Erasmus-Stiftung verweigerte, belohnt jetzt das Institut für Menschenrechte mit neuen Planstellen, nachdem es die Position der Ausschußmehrheit in einem Gutachten abgesichert hat.  

Ganz neu entstehen soll die Institution des „unabhängigen Polizeibeauftragten“, an den sich Polizisten und Bürger gleichermaßen wenden können, um Fehlverhalten oder strukturelle Mißstände anzeigen zu können. Dies ist eine alte Idee der Grünen, die zu CDU/CSU-Regierungszeiten noch als Ausdruck des Mißtrauens gegen die Ordnungshüter zurückgewiesen wurde. Anlaufstellen für Bürger gibt es bereits bei den Länderpolizeien und auch bei der Bundespolizei. Aber seit die Grünen mitregieren, ist die Schaffung einer neuen Institution mit Parallelzuständigkeiten offenbar kein Problem mehr.

Außerdem gibt es beim Bundestag ein Büro für Technikfolgenabschätzung (TAB). Für diese Institution sind im kommenden Jahr 2,635 Millionen Euro als Zuschuß vorgesehen. Das Büro berät die Abgeordneten mit Gutachten. Jüngstes Projekt sind „rechtliche und gesellschaftliche Herausforderungen sowie Innovationspotentiale von Deep Fakes“. In einer Kurzstudie soll die Wirkung von gefälschten Videos im Internet als Teil von Desinformationskampagnen untersucht werden, die das Vertrauen in die Institutionen oder Personen erschüttern könnten. In den vergangenen Jahren fand das TAB-Büro im Bundestag allerdings nur wenig Beachtung. In einer Untersuchung, welche Informationsquellen die Abgeordneten nutzen, kamen dessen Gutachten überhaupt nicht vor.