© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 47/22 / 18. November 2022

Kompromiß der Woche
Rechts ist schlimmer
Christian Vollradt

Daß das Grundgesetz auf einem antitotalitären Grundkonsens beruht, der politische Extremismen jeglicher Couleur ablehnt, scheint über die Jahre in Vergessenheit geraten zu sein. Das Phänomen ist bedauerlich, doch hinlänglich bekannt. Rechts gleich rechtsextrem und links (egal wie weit) gleich gut, so lautet der neue politisch-praktische Konsens – wie weit er sich auch immer vom Buchstaben unserer Verfassung entfernt haben mag. Auswirkungen hat das bis hinein in die Provinzpolitik, beispielsweise im Kreis Heinsberg, dem westlichsten Westen Bundesrepublikaniens. Dort hatte die FDP vorgeschlagen, das bereits seit längerem existierende „Bündnis gegen Rechts“ zu einem „Bündnis gegen Extremismus“ und um den Kampf gegen linksextreme politisch motivierte Gewalt zu erweitern. Denn, so die Begründung der Liberalen, „der Rechtsstaat muß konsequent gegen jede Form des Extremismus vorgehen“. Schließlich habe es im Kreis Heinsberg seit 2019 beinahe genauso viele linksextrem (142) wie rechtsextrem (150) motivierte Straftaten gegeben. Man dürfe „nicht auf einem Auge blind sein“. Bei den Kämpfern „gegen Rechts“ stieß das, wenig überraschend, auf wenig Gegenliebe: „Anlaß unserer Bündnisgründung waren Auswüchse von Rassismus, Antisemitismus und Ausländerfeindlichkeit, die sich im Kreis Heinsberg eindeutig im rechtsextremen Milieu verorten ließen und leider immer noch lassen“. Bei der Abstimmung im Kreisausschuß folgte nur die CDU den Argumenten der FDP. Die Sache endete schließlich in einem Kompromiß. Landrat Stephan Pusch (CDU) konstatierte zwar, Extremismus sei „in beide Richtungen falsch“, doch könne man dem Bündnis seine Ausrichtung nicht „aufs Auge drücken“. Daher bleibt das weiter eines „gegen Rechts“, aber „mit dem Anstieg neuer Formen von Extremismus“ sehe auch der Kreis Heinsberg „entsprechenden Handlungsbedarf“.