© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 47/22 / 18. November 2022

Ein Forschungsdesiderat – Kirche und Sexarbeit
Lebensdienlicher Körperumgang
(dg)

Es hat etwas länger gedauert, aber im Alter von 33 Jahren hat die Bochumer Theologiestudentin Nathalie Eleyth, eine „People of Color“ und Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Christliche Gesellschaftslehre, doch noch ein Promotionsthema gefunden: „Wie ist Sexarbeit aus evangelisch-ethischer Perspektive zu werten?“ Mit dieser Frage sei sie auf „ein großes Forschungsdesiderat“ gestoßen, weil die Evangelische Kirche in Deutschland ebenso wie die protestantische Theologie sich fast ausschließlich auf die Partnerschaft von Mann und Frau konzentrierten. Sexualethik komme daher in einschlägiger Fachliteratur nur als Beziehungsethik vor. „Pornographie, Sexarbeit, Sexualassistenz oder Casual Dating“ finde dort hingegen nicht statt. So bleibe Luthers Kirche bei einem der größten Streitthemen des deutschen Feminismus, ob Prostitution „selbstbestimmt“ möglich sei, eigentümlich sprachlos. Zwar habe die EKD-Denkschrift zu Fragen der Sexualethik von 1971 erstmalig sexuelles Begehren und Fortpflanzung entkoppelt. Sie führte aber nicht dazu, daß die Kirche das Sexualitätsmonopol der Ehe verabschiedete. Auch ihre gegenwärtigen Sexualethik-Entwürfe beharren darauf, verantwortungsvolle Sexualität solle ihren Ort in der auf Dauer angelegten Paarbeziehung haben. Entsprechend werde Prostitution in Teilen kirchlicher Sozialarbeit noch als Verletzung der Menschenwürde gewertet. Es gebe jedoch bereits so wichtige Ansätze zur „Enttabuisierung von Sexarbeit“ im kirchlichen Raum wie die EKD-Denkschrift „Freiheit digital“, die vorurteilsfrei den „lebensdienlichen Körperumgang des Webcamsex“ beleuchte, oder Gottesdienste zum Internationalen Hurentag (zeitzeichen, 11/2022). 


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