© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 47/22 / 18. November 2022

Filmkritik Jean Gabin Collection
Charismatischer Hauptdarsteller
Werner Olles

Der LKW-Fahrer Jean Chape (Jean Gabin) ist nachts auf einer Landstraße unterwegs, als er bemerkt, daß er mit seinem Laster etwas überrollt hat. Er sieht nach und findet einen Toten. Seine Freundin Alice (Jeanne Moreau) überredet ihn, die Polizei zu verständigen. Es stellt sich heraus, daß das Opfer ein Gangster war, der jedoch bereits tot war, als Jean ihn überfuhr. Als er sich auf den Heimweg macht, folgt ihm ein dunkler Wagen mit den Komplizen des toten Verbrechers, die es auf die Beute abgesehen haben, die der Tote bei sich trug. Gilles Grangiers Kriminalfilm „Straßensperre“ („Gas-Oil“, 1955) bietet Jean Gabin eine Paraderolle als wortkarger Fahrer eines 15-Tonner-Diesels.

Ebenfalls unter der Regie von Gilles Grangier spielt Gabin in „Im Kittchen ist kein Zimmer frei“ („Archimede, le clochard“, 1959) einen schlitzohrigen Clochard, der mit allen Mitteln versucht, ins Gefängnis zu kommen, um hier die Wintermonate zu verbringen. Die Polizei kennt aber seine Pläne. So macht er sich auf die Reise ins sonnige Cannes, um dort in Ruhe zu überwintern. Als standesbewußter Clochard überzeugt Gabin mit seinem galligen Sarkasmus.

Gabins Lieblingsregisseur Henri Verneul drehte 1962 mit „Lautlos wie die Nacht“ („Melodie en sous sol“/„Colpo grosso al Casino“) einen listenreichen Kriminalfilm mit einer überraschenden Schlußpointe. Der 60jährige Charles (Jean Gabin) ist gerade aus dem Gefängnis entlassen worden, doch anstatt einen ruhigen Lebensabend zu verbringen, plant er einen neuen Coup. Er will das Casino in Cannes ausrauben und engagiert dazu den jungen Francis (Alain Delon), mit dem er zusammen im Knast saß. Verneuls Film über zwei Ganoven, die mehr Kaltblütigkeit als Scharfsinn in ihren Coup investieren, ist ein effektvoller Krimi, der von dem Charisma seiner Hauptdarsteller lebt.

In Claude Bernard-Auberts „Die Affäre Dominici“ (1973) geht es um die ungeklärten Morde an einer englischen Urlauberfamilie in der Provence im Sommer 1952. Der von seinen Söhnen beschuldigte Bauer Gaston Dominici (Jean Gabin) wurde ohne schlüssige Beweise wegen des dreifachen Mordes zum Tode verurteilt, später jedoch von Charles de Gaulle begnadigt. Der Film hat fast dokumentarischen Charakter, zeichnet das Sittenbild eines Familienclans und kritisiert die Inkompetenz von Polizei und Justiz. Gabin gelingt in diesem Drama eine großartige Charakterstudie.

DVD: Jean Gabin Collection. Pidax 2022, Laufzeiten 89/81/116/100 Minuten