© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 47/22 / 18. November 2022

Frisch gepreßt

Lob des Nationalstaats. Im Haß auf das Eigene erreicht der politisch-mediale Komplex der Berliner Regenbogenrepublik zwar Weltniveau, ist aber in der westlichen Welt nicht konkurrenzlos, wie die Streitschrift „Zur Nation“ des 2020 verstorbenen Kulturkritikers Roger Scruton belegt. Der konservative Denker beleuchtet darin den britischen Zeitgeist, der lange vor dem Brexit von der kosmopolitischen Ideologie beherrscht wurde. Daß sich der Wind bis zum „Brexit“ im Vereinigten Königsreichs kurzfristig drehte, ist sicher auch Verdienst des pünktlich zur darüber abgehaltenen Volksabstimmung 2016 geadelten Sir Roger, der sich mit seiner scharfzüngigen Publizistik als einer der rührigsten Verteidiger des demokratischen Nationalstaats profilierte. Dessen größten Vorzug sieht Scruton darin, daß er seinen Bürgern eine relativ selbstbestimmte, freie politische Existenz garantiere. Während er sie unter dem Regime internationaler Organisationen wie UN, EU und WTO nur verlieren könne. Eine These, die Scruton eindrücklich belegt am Beispiel der Entmachtung des Nationalstaats durch die UN-Flüchtlingskonvention. Könne doch das Volk aufgrund dieser „menschenrechtlichen“ Bindung nicht mehr souverän über Einwanderung entscheiden, sondern habe zugewanderten „Ankömmlingen, die keineswegs Nachbarn sind“, auf eigene Kosten ein subventioniertes Dasein zu ermöglichen. (wm)

Roger Scruton: Zur Nation. Ein Pamphlet. Karolinger Verlag, Wien 2022, broschiert, 100 Seiten, 23 Euro  





Freiheitskämpfer. Er war ein Opfer heimtückischer Häscher und – noch schlimmer – einer damnatio memoriae, der vorsätzlichen Tilgung aus der Erinnerung. Erst nach 1848 riß der Historiker und Paulskirchenabgeordnete Wilhelm Zimmermann den 1532 in Padua ermordeten Michael Gaismair aus der Vergessenheit. Der Publizist Wolf Schmid hat nun in einem komprimierten Band den Lebensweg des 1491 im oberen Eisacktal geborenen Anführers der frühneuzeitlichen Tiroler Bauernaufstände nachgezeichnet, der nicht nur militärisch versierter Feldobrist eines gegen Tyrannenwillkür aufständischen Bauernheeres, sondern später unter Regie des Schweizer Reformators Ulrich Zwingli Schöpfer der auf egalitären Grundsätzen beruhenden „Tiroler Landesordnung“ war.  Viel später wurde er politisch oft vereinnahmt, Friedrich Engels erkannte in dem Gleichheitsapostel einen „Frühsozialisten“, die Nationalsozialisten betonten seine heimatbezogene Wehrhaftigkeit. Schmid weist vor allem auf die Tragik hin, daß seine erste demokratische Verfassung des Abendlandes – hundert Jahre vor Oliver Cromwell in England – „nie zum Tragen kam“. (bä)

Wolf Schmid: Der Tiroler Michael Gaismair. Bauernrebell oder Revolutionär? Verlag Haag+Herchen, Hanau 2022, broschiert, 96 Seiten, 18 Euro