© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 47/22 / 18. November 2022

Kabinenklatsch
Kufen im Keller
Ronald Berthold

Es ist Zeit, sich anderen Sportarten zuzuwenden. Der Profi-Fußball ist in die längste Winterpause seiner Geschichte gegangen, weil in Katar eine gekaufte Farce stattfindet, die sich Weltmeisterschaft nennt. Wie wär’s heute mal mit Eishockey? Denn in der DEL, der obersten Spielklasse, tut sich Erstaunliches. Die Eisbären Berlin, praktisch so etwas wie der FC Bayern auf Kufen, steht im Tabellenkeller.

Neunmal, darunter die vergangenen beiden Spielzeiten, haben die Hauptstädter die Eishockey-Meisterschaft an die Spree geholt. Mehr als 12.000 Zuschauer kommen im Schnitt zu den Partien in die unweit des Flusses gelegene Heimspielarena – Spitze in Deutschland. Auch beim Titelsammeln sind die Berliner DEL-Rekordträger.

Der Klub ist weit über die Grenzen der Stadt hinaus bekannt. Das liegt wohl auch an der berühmten Hymne der Puhdys, die man sogar regelmäßig beim Après-Ski in Tirol hört. Alle grölen mit, wenn es heißt: „Hey, wir wollen die Eisbären sehen“. Die wenigsten, die da mitfeiern, werden jemals ein Spiel gesehen haben. Aber das unterscheidet das Eishockey vom Fußball: Es gibt kaum Rivalitäten, und deswegen ist der 27 Jahre alte Song so herrlich kompatibel.

Nach 20 Spieltagen steht der Meister auf dem dreizehnten von 15 Plätzen. Stellen Sie sich einmal vor, die Fußball-Bayern würden auf dem vergleichbaren 16. Rang stehen ... Im Eishockey ist das möglich. Und auch, daß die Eisbären wieder Champion werden. Dafür müssen sie aufgrund einer für mich seit Jahren abschreckenden Regel nur Zehnter werden und sich für die Playoffs qualifizieren. Und dann ist alles, was an 54 Spieltagen vorher wichtig war, vergessen. Es geht von vorn los.