© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 48/22 / 25. November 2022

Pyromanisch statt politisch?
Offenbar keine rassistische Tat: Nach dem Brand einer Aslyunterkunft bei Wismar nehmen die Ermittler einen Feuerwehrmann fest
Hannes Beifang

Der Fall einer niedergebrannten Unterkunft für ukrainische Flüchtlinge hat in der vergangenen Woche eine unerwartete Wendung genommen. Am Donnerstag luden die Staatsanwaltschaft Schwerin, das Polizeipräsidium Rostock und die Kriminalpolizeiinspektion Schwerin zu einer gemeinsamen Pressekonferenz. Anlaß war die Verhaftung eines 32 Jahre alten Feuerwehrmanns, der dringend tatverdächtig ist, das Feuer am 19. Oktober in dem von Ukrainern bewohnten ehemaligen Hotel in Groß Strömkendorf bei Wismar gelegt zu haben. Er war noch vor seinen Kameraden am Ort des Geschehens und hatte sich dann bei seinen Angaben gegenüber der Polizei in Widersprüche verstrickt. Ein politisches Motiv können die Ermittler bei ihm nicht erkennen. Vielmehr machen sie ihn für eine Reihe von weiteren Bränden in der Gegend verantwortlich.

„Wegen des Kopfkinos voreilige Schlüsse gezogen“

Ein Feuerteufel also, und kein politischer Extremist. Fall erledigt, könnte man sagen, wäre der Brand nicht von Anfang an maximal politisch aufgeladen und instrumentalisiert worden. Die Flammen waren noch nicht vollständig gelöscht, da eilten Ministerpräsidentin Manuela Schwesig und Bundes-innenministerin Nancy Faeser (beide SPD) nach Groß Strömkendorf und kündigten die volle Härte des Rechtsstaats als Reaktion an. Vor allem Faeser erweckte dabei den Eindruck, es könne sich nur um einen rechtsextremen Anschlag handeln (JF 44/22). 

Auch die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Reem Alabali-Radovan (SPD), meldete sich zu Wort und zog Parallelen zu den fremdenfeindlichen Ausschreitungen von Rostock-Lichtenhagen 1992. Mit einem Fingerzeig deutete sie an, wem sie eine Mitverantwortung an dem Brand gebe. „Mit rassistischen Parolen, den offenen, aber auch den unterschwelligen, abwertenden Bemerkungen gegenüber Geflüchteten wird der Nährboden für Brandanschläge wie diesen in Groß Strömkendorf gelegt.“ 

Wer genau mit dem Vorwurf gemeint war, machte dann die SPD-Vorsitzende Saskia Esken unmißverständlich klar: CDU-Chef Friedrich Merz. Der hatte kurz zuvor mit Blick auf ukrainische Flüchtlinge vor Sozialtourismus gewarnt, war aber nach Kritik rasch zurückgerudert und hatte sich entschuldigt. Das hinderte Esken aber nicht daran, Merz in der Rheinischen Post vorzuhalten, wer Kriegsflüchtlinge als Sozialtouristen verleumde, „der muß sich fragen lassen, welchen Anteil er hat an Haß und Hetze, die später in Gewalt mündet“. Und weiter: „Die Einlassungen der letzten Zeit zur Aufnahme von Schutzsuchenden in Deutschland sind verantwortungslos – und sie bereiten den Boden nicht nur für gesellschaftliche Spaltung, sondern letztlich auch für solch kriminelle Taten.“ Ins gleiche Horn blies der Grünen-Bundestagsabgeordnete Johannes Wagner: AfD und Union trügen mit ihren Aussagen zu „Sozialtourismus“ eine Mitverantwortung an der mutmaßlichen Brandstiftung, behauptete er auf Twitter.

Um so auffallend stiller waren die vorschnellen Ankläger, nachdem sich der vermeintlich rechtextreme Brandanschlag nun als mutmaßliches Werk eines pyromanisch veranlagten Feuerwehrmanns entpuppte. Zwar forderten CDU und AfD eine Entschuldigung, doch sowohl Esken als auch Alabali-Radovan und Faeser zogen es vor, zu schweigen. AfD-Landeschef Leif-Erik Holm kritisierte, zu viele hätten „aufgrund des eigenen Kopfkinos voreilige Schlüsse gezogen“. Auch Faeser hätte es gut zu Gesicht gestanden, erst einmal abzuwarten. Und CDU-Landesgeneralsekretär Daniel Peters unterstrich: „Den Nazi-Anschlag hat es nicht gegeben.“ Esken müsse Merz öffentlich um Verzeihung bitten, das wäre das mindeste. Doch das Willy-Brandt-Haus lehnte auf Anfrage des NDR eine Stellungnahme ab.

Linkspartei und Grüne hingegen wollen sich vom Gedanken einer politischen Tat noch immer nicht verabschieden. Man dürfe ein mögliches rassistisches Motiv des verhafteten Feuerwehrmanns nicht voreilig ausschließen, mahnte der Linken-Landtagsabgeordnete Michael Noetzel. Möglicherweise habe dieser in der Vergangenheit an rechtsgerichteten Demonstrationen teilgenommen. Das müsse nun geprüft werden. Ähnlich äußerte sich auch der Grünen-Landesvorsitzende Ole Krüger: „Der mutmaßliche Täter wußte, wer sich in dem Haus befindet“ und habe die Bewohner in Lebensgefahr gebracht. „So wird aus einer Brandstiftung ein Brandanschlag.“