© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 48/22 / 25. November 2022

Jetzt mit noch mehr Mitte
„Bündnis Deutschland“: Mit dem Anspruch, für „Vernunft statt Ideologie“ zu stehen, tritt eine neue Partei an / Mitgliedschaft auf Bewährung
Christian Vollradt

Ja, ist denn schon Weihnachten? „Diese Partei erfüllt den allgemeinen Wunsch aus der Gesellschaft nach einem neuen, ehrlichen Politikangebot.“ Zumindest jene 52 Prozent, die einer Insa-Umfrage zufolge eine politische Heimat suchen, können aufatmen: das „Bündnis Deutschland“ ist da, frisch angemeldet beim Bundeswahlleiter. Gerüchte über eine neue Partei waberten bereits seit einigen Wochen durch die politische Gerüchteküche; seit Dienstag ist die am Wochenende zuvor erfolgte Gründung offiziell. 

Für „Freiheit, Wohlstand, Sicherheit“ hätten sich die Christdemokratisch-Liberale Plattform (CLP), die Bürgerallianz Deutschland, Teile des Bürgerlich-Freiheitlichen Aufbruchs (BFA) mit ehemaligen Mitgliedern der CDU/CSU, SPD, Freien Wählern, FDP, AfD und LKR verbündet, teilen die Parteigründer mit. Damit werde eine politische „Lücke“ für die bürgerliche Mitte geschlossen. Denn die AfD falle als Koalitionspartner aus, weswegen die Bürgerlichen immer Rot-Grün, wahlweise mit Anhang, bekämen, egal wo sie ihr Kreuz machten, so Neu-Parteichef Steffen Große. Er hat durchaus Erfahrung auf dem Gebiet. Der gelernte Journalist machte als Beamter mit CDU-Parteibuch (bis 2006) im Sachsen Kurt Biedenkopfs Karriere in der Staatskanzlei und ist Referatsleiter im Kultusministerium. Neun Jahre war er dann bei den Freien Wählern, als Landeschef und Mitglied im Bundesvorstand, bis er die Partei nach Differenzen verließ. Im Februar 2021 gründete er die Bürgerallianz Deutschland, die programmatisch gewisse Ähnlichkeiten mit dem nun aus der Taufe gehobenen Bündnis Deutschland hatte.  

Zur Zeit habe das Bündnis Deutschland etwa 50 Mitglieder. In Fulda seien zunächst diejenigen zusammengekommen, die bereits seit längerer Zeit an dem Projekt der Parteigründung gearbeitet hätten. Interessenten, so verichert die Mannschaft am Dienstag, gebe es viele. Mit einer vierstelligen Zahl an Beitritten rechne man in Kürze. Dafür werden die Hürden bewußt hoch gelegt. Mit einem durchaus happigen Beitrag von mindestens 170 Euro im Jahr will man sich die „Glücksritter“ vom Hals schaffen. Noch gravierender ist allerdings eine weitere Einschränkung: Alle künftigen Mitglieder können nur zunächst auf 24 Monate befristet beitreten. „Nach Ablauf der Probezeit geht die vorläufige Mitgliedschaft automatisch in eine ordentliche Mitgliedschaft über, es sei denn, der Bundesvorstand beschließt, daß die vorläufige Mitgliedschaft nicht als ordentliche Mitgliedschaft fortgesetzt wird“, lautet der betreffende Passus in der Bündnis-Satzung. Ein solcher Beschluß der Parteispitze könne nicht vor den Schiedsgerichten angefochten werden. So nachvollziehbar das auch sein mag, wollen die Parteigründer ihr zartes Baby schließlich nicht in die Hände von Spinnern, Querulanten oder Radikalen fallen lassen; doch das Parteiengesetz legt die Meßlatte für einen Rauswurf hoch und verweist die letzte Entscheidung innerparteilich an ein Schiedsgericht. Zumal dürfte es dem Prinzip einer demokratischen Willensbildung widersprechen, wenn sich ein Interessent nur unter dem Damoklesschwert eines nach zwei Jahren möglichen Rauswurfs engagieren kann. So werde bloß „Duckmäusertum“ gefördert, sind Kritiker innerhalb des Netzwerks „Bürgerlich-Freiheitlicher Aufbruch“, aus dessen Reihen einige der Parteigründer stammen, überzeugt. Doch die weisen solche Einwände zurück. Auch während der Probezeit genieße jeder im Bündnis volle Mitgliedsrechte.

Weil ihnen Nachhaltigkeit und Umweltschutz am Herzen lägen, wollen die Parteigründer für jedes neue Mitglied ein Bäumchen pflanzen. Fragt sich nur, ob die auch dann weiter wachsen dürfen, wenn „ihr“ Mitglied die Probezeit nicht besteht …