© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 48/22 / 25. November 2022

Grüße aus … Bern
Ich bleib’ lieber zu Hause
Frank Liebermann

Blaise Pascal, der weltberühmte französische Mathematiker, Physiker und Philosoph, hat schon im 17. Jahrhundert festgestellt: „Das ganze Unglück der Menschen rührt allein daher, daß sie nicht ruhig in einem Zimmer zu bleiben vermögen.“ Er hätte seine wahre Freude an mir. Ich schaffe es, etliche Wochenenden zu Hause zu verbringen. Dank Internet, Streaming und Lieferdiensten setze ich keinen Fuß vor die Tür.

Da bin ich ein völlig untypischer Berner. Diese leiden an einem notorischen Aktivitätsdrang. Wenn sie nichts zu tun haben, verreisen sie. Irgendwohin. Da genügen schon zwei freie Tage am Stück. Diese nutzen sie für Trips in das benachbarte Ausland. Die einen gehen in das Elsaß. Dort wird gefressen, was das Zeug hält. Nur um sich anschließend das Auto mit Delikatessen vollzustopfen, von denen dann ein kleines Töpfchen Gänseleber – großzügig – für die zwanzig Kollegen auf Arbeit in den Aufenthaltsraum wandert, natürlich nicht ohne Hinweis auf den edlen Spender.

Ich selbst hasse das Reisen. Schlechte Hotelbetten, enge Sitze im Flugzeug, andere Reisende, all das nervt mich.

Die anderen bevorzugen den Schwarzwald. Dort lassen sie sich nach dem obligatorischen Besuch im Europapark in Wellnessoasen stundenlang durchkneten. In der Folgewoche grinsen sie dann kontinuierlich und schwärmen, wie unglaublich erholt sie seien. Wer mindestens drei Tage nicht arbeitet, fliegt weg.

Dank der immer noch vorhandenen Billigfluglinien geht es in jede Destination, die unter 200 Schweizer Franken in ein paar Flugstunden erreichbar ist. Das ist vor allem bei den jüngeren Bernern beliebt. Zweck ist „Party machen“ und „shoppen“.

Wenn der 20jährige Kollege am Donnerstag ankündigt, daß er von Freitag bis Sonntag in Richtung Barcelona fliegt, weiß man, daß es nicht möglich ist, ihn bis Mitte der nächsten Woche mit halbwegs anspruchsvollen Aufgaben zu belästigen. Schließlich muß er im Büro erst mal auskatern. Oder wie das auch immer so heißen mag, bei den ganzen Substanzen, die die heutige Jugend konsumiert.

Die Reisewut der eidgenössischen Hauptstädter ist nicht wirklich nachvollziehbar. Im Gegenteil. Hier ist es schon schön. Meistens. Jedes Jahr fallen Horden von Ausländern in die Stadt ein, um die vielen Attraktionen zu bewundern. Gefühlt alle zehn Minuten wird der Berner von einem Touristen angesprochen, mit der Bitte, ihn vor dem Bundeshaus, der Zytglogge oder dem Bärengraben zu fotografieren. Da lob ich mir die Asiaten. Die sind wenigstens so anständig, einen Selfiestick mitzunehmen.

Ich selbst hasse das Reisen. Schlechte Hotelbetten, enge Sitze im Flugzeug, andere Reisende, all das nervt mich. Meine Aversion kann ich jetzt wenigstens als Beitrag zum Klimaschutz verkaufen. 

Danke Greta!