© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 48/22 / 25. November 2022

Danach ist davor
US-Zwischenwahlen: Die erwartete „rote Welle“ an republikanischen Zugewinnen blieb aus. Biden und die Demokraten werten das als Sieg
Liz Roth

Die Schmach der frustrierenden Ergebnisse bei den Zwischenwahlen Anfang November spaltet die Republikanische Partei der USA weiter. Von außen betrachtet sahen die diesjährigen Wahlen wie eine sichere Sache für die Republikaner aus. Eine rote Welle wurde erwartet. Seit Lyndon B. Johnson haben neue demokratische Präsidenten bei den Zwischenwahlen durchschnittlich 45 Sitze im Repräsentantenhaus und fünf im Senat verloren. 

Die heutigen Republikaner brauchten nur fünf Sitze im Repräsentantenhaus und einen Sitz im Senat zu gewinnen, um die Kontrolle zu übernehmen, und das in einer Zeit steigender Inflation und breiter Unzufriedenheit mit dem Kurs der Nation sowie der allgemeinen Frustration der Bürger mit Präsident Joe Biden. Zwar gewannen sie mittlerweile, nach Schwierigkeiten bei der Auszählung der Wahlzettel in vielen Bezirken, den 218. Sitz im Repräsentantenhaus und somit die Mehrheit. Sie konnten aber im Senat keine Fortschritte machen. Die Stimmung ist gedrückt, und es wird innerhalb der Partei nach Schuldigen gesucht.

„Ich bin so wütend, daß ich nicht geradeaus sehen kann“

„Lassen Sie mich zunächst sagen, daß ich so wütend bin, daß ich nicht einmal geradeaus sehen kann“, sagte Ted Cruz, der republikanische Senator aus Texas, nach der Wahl in seinem Podcast. „Wir hatten eine außergewöhnliche Gelegenheit. Wir hatten eine Chance für eine ganze Generation.“

Nach den Zwischenwahlen haben die Demokraten durch Siege in Pennsylvania, Arizona und Nevada eine knappe Mehrheit mit 50 zu 49 im Senat errungen. Beide Parteien haben am 6. Dezember die Möglichkeit, einen weiteren Sitz hinzuzugewinnen, wenn der amtierende Demokratische Senator von Georgia, Raphael Warnock, und sein republikanischer Herausforderer Herschel Walker in die Stichwahl gehen. Warnock konnte bei der Wahl nur einen kleinen Vorsprung erringen.

Die Demokraten feiern das unerwartete Ergebnis, und Präsident Biden nannte es „einen guten Tag für die Demokratie und, wie ich meine, ein guter Tag für Amerika. Unsere Demokratie wurde in den vergangenen Jahren auf die Probe gestellt, aber das amerikanische Volk hat mit seinem Votum einmal mehr bewiesen, daß Demokratie das ist, was wir sind“, sagte er.

Bei den Republikanern steht nun die Aufarbeitung an. Hinter den Kulissen fiel ihnen in diesem Wahlzyklus nichts leicht, denn ihr historischer Rückenwind kollidierte mit der zerrissenen Realität einer politischen Partei. Der Elefant im Raum ist die massive Spaltung der Mitglieder durch den ehemaligen Präsidenten Donald Trump. „Es war ebenfalls eine Wahl zwischen den Trump-Republikanern und dem alten Establishment der Partei“, erklärte der Kommentator Victor Davis Hanson im Interview mit FoxNews. „Die Partei weiß nicht, in welche Richtung sie geht und die wichtigsten Spieler in der Partei stehen nicht vereint zusammen und haben unterschiedliche Ziele. Außerdem hat sie keinen überzeugenden Nachwuchs“, so Hanson.

Immer mehr Unterstützter wenden sich von Trump ab. Sein Vizepräsident Mike Pence rechnet in seiner neuen Biographie „So wahr mir Gott helfe“ mit Trump ab und kritisiert seine Methoden und Rhetorik. Ebenso positioniert sich sein ehemaliger Justizminister, das republikanische Urgestein William Barr, klar gegen ihn und nennt ihn auf der Meinungsseite der New York Post eine „Abrißkugel, die die Partei zerstören will“. Er fordert die Bürger auf, Trump nicht weiter zu unterstützen, obwohl er ihm seine Direktheit hoch anrechnet. „Aber es ist jetzt klar, daß es ihm an den Qualitäten fehlt, die notwendig sind, um die Art von Einigkeit und einen breiten Wahlsieg im Jahr 2024 zu erreichen, die wir benötigen, wenn wir unsere Republik retten wollen. Es ist Zeit für eine neue Führung.“ 

Barr bezog sich auf Trumps erneute Präsidentschaftskandidatur. Trump machte die Ankündigung in Florida auf seinem Anwesen Mar-a-Lago vor einer Schar von Anhängern, nachdem er die für die Kandidatur erforderlichen Bundesformulare eingereicht hatte. Seine Ankündigung erfolgte trotz der Aufforderungen ehemaliger hochrangiger Berater, darunter Kayleigh McEnany und Jason Miller, seine Wahlankündigung bis nach der Stichwahl zum US-Senat in Georgia zu verschieben. 

Ein großer Sieg in dem „Swing State“ Florida für DeSantis

Seine Unterstützer fanden wenig Enthusiasmus für seine Ankündigung und sagten, die Veranstaltung habe „wenig Energie“. „Ich habe Trump bei zufälligen feierlichen Anlässen, über die ich im Weißen Haus berichtet habe, aufregender erlebt als heute abend“, schreibt der konservative Journalist Saagar Enjeti auf Twitter.

Der einzige Lichtblick für die Republikaner ist der Gouverneur von Florida, Ron DeSantis, der trotz der allgemein enttäuschenden Ergebnisse für die Konservativen die Zwischenwahlen gewonnen hat. Er besiegte seinen demokratischen Gegenkandidaten mit einem Vorsprung von 19 Prozentpunkten und färbte den Staat, der einst als Schlachtfeld  – als „Swing State“ – galt, tiefrot. Er gewann fast alle Countys und erzielte beeindruckende Siege bei hispanischen und städtischen Wählern in ehemaligen demokratischen Hochburgen wie Miami-Dade County.

„Er ist eine Mischung aus Trumps Kampf gegen das Establishment und die Woke-Agenda, aber auch ein kompetenter und effektiver Regierungsführer“, erklärt die New York Post und sieht ihn als Zukunftsmodell für die Republikaner. Die konservative und einst Trump zugeneigte Boulevardzeitung hofft auf seine Präsidentschaftskandidatur.