© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 48/22 / 25. November 2022

Ampel-Streit um Beschleunigung für Windräder und Stromtrassen
Überflüssig und praxisfremd
Holger Douglas

Sie können lästig sein, die Einsprüche gegen neue Straßen oder Bahngleise. Jahrelange Rechtsstreitigkeiten verzögern Infrastrukturprojekte, ist doch im Laufe der Jahrzehnte ein kompliziertes Regelwerk über Bürgerbeteiligung und Einspruchsmöglichkeiten entstanden. Nun versucht sich der Bürger immer häufiger auch gegen Windräder und Stromtrassen vor seiner Nase zu wehren. Die Verfahren ziehen sich in die Länge, viele Projekte platzen trotz Schützenhilfe von grüngefärbten Landesregierungen. Das ist mißlich für Windbarone, die möglichst schnell Rendite sehen wollen.

Justizminister Marco Buschmann hatte im August einen Referentenentwurf vorgelegt, um die Verfahrensdauer für Projekte mit einer hohen wirtschaftlichen und infrastrukturellen Bedeutung zu beschleunigen. Dafür solle es ein „Vorrang- und Beschleunigungsgebot“ geben. Gerichtliche Fristen sollen Kläger daran hindern, mit immer neuen Schriftsätzen einen Prozeß zu verlängern. Auch sollen Vorhaben nicht mehr mit Eilanträgen vorläufig gestoppt werden können. Buschmann erinnerte sich allerdings an seine FDP-Mitgliedschaft und fügte hinzu, daß dabei die Effektivität des Rechtsschutzes nicht beeinträchtigt werden solle.

Zunächst stieg Umweltministerin Steffi Lemke auf die Barrikaden, denn so könnten auch Autobahnen und Flughäfen schneller gebaut werden. Doch das würde das Gegenteil von Klimaschutz darstellen; nur gegen Windräder und Stromtrassen sollte kein Einspruch mehr möglich sein, so offenbarte die Grüne ihr merkwürdiges Rechtsverständnis.

Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) meldete in einem internen Schreiben an das Justizministerium massisve rechtliche Bedenken an: Mehrere geplante Vorschriften seien überflüssig oder kontraproduktiv. Dem eigentlichen Ziel werde der Entwurf nicht gerecht. Einige der vorgeschlagenen Regelungen seien „überdies teils überschießend und praxisfremd“, zitierte das Handelsblatt aus dem BVerwG-Schreiben.

Buschmann wollte zum Beispiel, daß die lästigen formalen Fragen nicht mehr so eng gesehen werden. Denn Richter sollen formale Mängel außer acht lassen können, wenn klar sei, daß diese Mängel „in absehbarer Zeit“ behoben würden. Doch solche Fehler führten bereits jetzt nicht zu einem Erfolg im einstweiligen Rechtsschutzverfahren, heißt es in der Argumentation des BVerwG: „Die Regelung hat keinen relevanten Anwendungsbereich.“ Denn schon jetzt werde die Verletzung von Verfahrens- oder Formvorschriften im Eilverfahren nicht berücksichtigt, wenn „deren Ergebnisrelevanz“ ausgeschlossen werden kann. Auf die Füße getreten fühlen sich die Leipziger Verwaltungsrichter, wenn sie schreiben: Die verfassungsrechtlichen Grundsätze des fairen Verfahrens, der Waffengleichheit der Beteiligten und der richterlichen Neutralität verbieten dem Gericht, sich als „Reparaturbetrieb“ für die Verwaltung zu betätigen und zielgerichtet die Behebung von Fehlern in einem ergänzenden Verfahren zu initiieren. Aufgabe des Gerichts sei die Verwaltungskontrolle, nicht die Abgabe von „Empfehlungen zur Fehlerkorrektur“.

Der wesentliche Grund für lange Verfahren liege zudem bei fehlenden Fachleuten in den Behörden und der mangelnden Ausstattung. In dem BVerwG-Schreiben wird auch der Anlaß für die häufigen Verfahren klar benannt: „Ziel der Klage ist in diesen Fällen die dauerhafte Vorhabenverhinderung. Das gilt insbesondere für Klagen von Umweltverbänden.“ Und ihr politischer Arm sitzt nun in der Regierung.