© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 48/22 / 25. November 2022

Digitales Schreiben in Freizeit und Schule
Vordringen des konzeptionell Mündlichen
(ob)

Mit der Digitalisierung ist das Schreiben vielfältiger geworden. Einerseits stehen heute eine Vielzahl an Möglichkeiten zur Verfügung: Tastatur oder Touchscreen, handschriftliches Schreiben auf Papier oder auf dem Display, Produktion schriftlicher Texte mittels Spracherkenntnis. Andererseits gibt es mehr Anlässe zum Schreiben als früher. Für die Sprachwissenschaftlerinnen Sarah Brommer (Bremen) und Christa Dürscheid (Zürich) tut sich damit ein neues Forschungsfeld auf, das sie anhand der Digitalisierung der Schule exemplarisch erschließen wollen. Dort, wo mittlerweile auch „Chatkonversationen“ unterrichtsbegleitend eingesetzt werden, stoßen wie nirgendwo sonst das hergebrachte normorientierte Schreiben und das als „konzeptionell mündlich“ geltende, stilistisch an den Duktus des Gesprächs angelehnte, mit umgangssprachlichen Ausdrücken, mit beabsichtigten oder unbeabsichtigten Orthographie- und Zeichensetzungsfehlern gespickte informelle Schreiben aufeinander. Ob das dem Interaktionsrhythmus der „sozialen Medien“ unterworfene dialogische Freizeitschreiben in dieser Berührungszone langfristig negative Einflüsse auf das regelkonforme Schreiben der Standardsprache und überhaupt auf den zwischenmenschlichen Umgang haben wird, bliebe zu erforschen. Fest stehe seit 20 Jahren indes, daß das informelle Schreiben unabhängig von Facebook und Twitter soziokulturelle Entwicklungen begünstige, die zur „Ent-Distanzierung“ und Respektlosigkeit führen. Mit der Gewöhnung an sprachliche Regellosigkeit gehe offenbar die „Lässigkeit“ in vielen anderen Lebensbereichen, in den Umgangsformen oder bei der Kleidung, einher (Der Deutschunterricht, 4/2022). 


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