© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 48/22 / 25. November 2022

Zeitschriftenkritik: Info aktuell – Informationen zur politischen Bildung
Schwerreiche Wüstensöhne
Werner Olles

Pünktlich zur Fußball-WM in Katar legt die Bundeszentrale für politische Bildung in der Reihe „Info aktuell – Informationen zur politischen Bildung“ ein Themenheft vor, das sich umfassend mit der Geschichte, dem politischen System, der Gesellschaft, Außenpolitik, Arbeitsmigration sowie dem Sport als internationaler und nationaler Marke beschäftigt. Der Autor. Sebastian Sons, Islamwissenschaftler und ehemaliger Chefredakteur der Zeitschrift Orient, ist ein ausgewiesener Kenner der gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und politischen Entwicklung in den Golf-Monarchien und hat bereits zwei Sachbücher vorgelegt, die auf die die problematische Partnerschaft zu Ländern wie Saudi-Arabien und Katar aufmerksam machten. 

Sons beschreibt kenntnisreich die Geschichte Katars, die eng mit der Familie Al Thani verbunden ist, die die Geschicke des Landes seit 150 Jahren bestimmt. Bestand die Bevölkerung vor dem 18. Jahrhundert primär aus beduinischen Nomaden, zog sich das britische Kolonialreich erst 1971 aus der Golf Region zurück, nachdem es über 100 Jahre die Emir-Nachfolge regelte. Mit der Entdeckung des größten Gasfeldes der Welt begann der wirtschaftliche Aufstieg zu einem der reichsten Staaten der Erde. Die katarische Verfassung schreibt dem Clan der Al Thani die Entscheidungsgewalt über das politische System und die knapp 300.000 Staatsangehörigen vor. Während sie uneingeschränkt vom Wohlfahrtssystem profitieren, leiden vor allem die Arbeitskräfte im Niedriglohnbereich unter massiven Ungleichbehandlungen. So beträgt der Anteil an Arbeitsmigranten in Katar mit 2,2 Millionen Menschen über 80 Prozent der Bevölkerung. Die Stadien für die Fußball-WM wurden von Arbeitsmigranten aus Indien, Nepal, den Philippinen und Ägypten gebaut. Viele von ihnen leben unter katastrophalen hygienischen Bedingungen in Baracken, die weder über Trinkwasser noch Stromversorgung verfügen. Die tödlichen Unfälle auf den WM-Baustellen werden auf 8.000 bis 15.000 geschätzt, von der Regierung und der Fifa jedoch als Diffamierungskampagne dargestellt. Dramatisch ist die Lage christlicher, hinduistischer oder buddhistischer Hausangestellter, die häufig Opfer von Mißhandlungen, Vergewaltigungen, Schlaf- und Essensentzug oder fehlender medizinischer Versorgung sind. Oft werden Löhne nur unregelmäßig oder gar nicht ausgezahlt. 

Seit vielen Jahren nutzt Katar den Sport, um sich international bekannt zu machen. Doch wurde die WM-Vergabe von massiven Korruptionsvorwürfen überschattet, die sich gegen hochrangige Fifa-Funktionäre und die Herrscherfamilie richten. Nachweislich kam es zu gekauften Stimmen bei der Stichwahl 2010. Weltweit finanziert das Emirat islamistische Strukturen und Bestrebungen.

Kontakt: Bundeszentrale für politische Bildung, Adenauerallee 86, 53113 Bonn

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