© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 48/22 / 25. November 2022

CD-Kritik: Benjamin Britten, Andrew Staples
Glattgebügelt
Jens Knorr

Vor Nationalismus und Homophobie aus England nach Amerika geflohen, leben Benjamin Britten und Peter Pears erst in Kanada, dann in New York. Dort vollendet der Komponist 1939 den Liedzyklus Les Illuminations op. 18 auf Gedichte von Arthur Rimbaud. Der nach seiner Rückkehr vom Militärdienst befreite Kriegsdienstverweigerer schreibt 1943 die Serenade für Tenor, Horn und Streichorchester op. 31 und 1958 das Nocturne op. 60, beide Kompositionen auf englische Dichter verschiedener Epochen.

Sind die musikalischen Bilder heimlicher und unheimlicher Wünsche, erfüllter und unerfüllter Phantasien städtischer Sommernachtsträumer aus ihren zeitlichen und gesellschaftlichen Zusammenhängen einfach so herauszulösen? Es gibt durchaus eindrückliche Interpretationen von Tenören nach Peter Pears, und doch haben diese zentralen Zyklen im allgemeinen Tagesgeschäft viel von ihrer schmerzlichen Dringlichkeit, ihren dunklen Geheimnissen, aufbegehrenden und versöhnlichen Gebärden verloren – und als Kunstwerke ihre Aura.

Sie dialektisch aufzuheben und in eine neue Freiheit zu überführen, scheint das vordringliche Anliegen des Tenors Andrew Staples nicht zu sein. Mit obertonreicher Stimme – die englische Kirchenchor-Tradition ist ihr anzuhören – laviert er bequem zwischen der orphischen Betroffenheit eines Pears oder dem streng prüfenden Tonnehmen eines Ian Bostridge durch seinen Part. Dem Sveriges Radios Symfoniorkester unter Daniel Harding und Christopher Parkes am Horn assistiert Staples ordentlich.

Benjamin Britten Les Illuminations u.a. harmonia mundi 2022 

 www.harmoniamundi.com

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 www.srso.se