© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 48/22 / 25. November 2022

Thalers Streifzüge
Thorsten Thaler

Ewigkeitssonntag, Spaziergang auf dem Kirchhof der Luisengemeinde und dem angrenzenden Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Friedhof im Berliner Ortsteil Westend. Beide wurden in den 1890er Jahren angelegt, sind miteinander verbunden und stehen unter Denkmalschutz. Neben einer Reihe von opulent gestalteten Grabstätten, darunter die des „Königlich Preußischen Kammersängers“ Emil Götze (1856–1901), beeindruckt auf dem Luisenfriedhof vor allem das 1920 von dem Stadtbauinspektor Walter Spickendorff errichtete Ehrenmal für die Gefallenen des Ersten Weltkrieges. Zu den erst in diesem Jahrhundert auf dem Evangelischen Friedhof beigesetzten Prominenten gehört unter anderem auch die Schaupielerin Brigitte Mira, bekannt durch ihre Hauptrolle in Rainer Werner Fassbinders Film „Angst essen Seele auf“ (1974) und die Fernsehserie „Drei Damen vom Grill“. Sie hat auf dem Luisenfriedhof ein Ehrengrab des Landes Berlin. Monumentale Grabstätten entdecke ich auch auf dem Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Friedhof, allen voran das prächtige Mausoleum für den Schuhcreme-Fabrikanten Otto Lemm und seine Familie sowie die herrschaftliche Begräbnisstätte des Unternehmers Ferdi-

nand Warburg. Zudem befindet sich dort seit 2015 eine Gedenkstätte für Genozidopfer im Osmanischen Reich: das „Haus der Armenier“, das „Haus der Griechen aus Kleinasien, Pontos und Ostthrakien“ und das „Haus der Aramäer, Syrer und Chaldäer“. Davor liegen Kalksteinplatten mit den Namen der wichtigsten Herkunftsorte der Opfer (www.genozid-gedenkstaette.de).

„Der Konservative muß dem linken Gesellschaftsideal eine eigene Erzählung von der Zukunft entgegensetzen.“

Das Beste, das dir morgens passieren kann: Du wachst auf und bist gesund.


Zu den lesenswertesten Kulturjournalisten der Gegenwart zählt der promovierte Philosoph Alexander Grau. Für Cicero online schreibt der 54jährige die Kolumne „Grauzone“, für das Männermagazin Tweed die Literaturkolumne „Lesezeichen“, er veröffentlicht Beiträge unter anderem in der Frankfurter Allgemeinen und der Schweizer Weltwoche, zudem verfaßt er kluge Bücher wie „Hypermoral. Die neue Lust an der Empörung“ (2017), „Kulturpessimismus. Ein Plädoyer“ (2018) und „Politischer Kitsch. Eine deutsche Spezialität“ (2019). Kürzlich nun hat er sich in der Weltwoche (Ausgabe vom 27. Oktober) dem Konservatismus zugewandt, der dem linken Gesellschaftsideal eine eigene Erzählung von der Zukunft entgegensetzen müsse. „Das strukturelle Defizit des Konservatismus liegt erkennbar in seiner parasitären ideologischen Existenz“, so Grau. „Eine politische Ideologie, deren wesentliche Motivation und Legitimation darin besteht, das zu verhindern, was andere wollen, wird früher oder später in Schönheit sterben. (…) Wer Konservatismus treuherzig auf eine Handvoll Werte wie Familie, Patriotismus und Christentum reduziert, hat sich im Grunde mit der Kulturhoheit der Linken abgefunden und wird zwangsläufig verlieren.“


„Tief ist der Haß, der den niederen Herzen dem Schönen gegenüber brennt.“ (Ernst Jünger, Auf den Marmorklippen, 11. Kapitel, 1939)