© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 48/22 / 25. November 2022

GegenAufklärung
Kolumne
Karlheinz Weißmann

Wie man der jüngsten Ausgabe der Deutschen Sprachwelt entnehmen kann, hat die Bundeswehr sich noch einmal umentschieden. Nachdem die „Teamleitung Panzertruppe“ an die Stelle des „Panzerkommandanten“ getreten war, haben wir es zukünftig mit der „Führungskraft Panzertruppe“ zu tun.

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Nach einem Bericht von RTL France hat der islamistische Terrorist Salah Abdeslam im Sommer im Gefängnis von Fleury-Mérogis geheiratet. Salah Abdeslam ist der einzige überlebende Attentäter der Pariser Anschläge vom November 2015. Seine Gattin ist nicht identisch mit seiner ehemaligen Verlobten Yasmina, von der er sich wenige Tage vor dem Anschlag trennte, sondern eine Frau, die sein Vater für ihn ausgesucht hat.

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Deutscher Lebenslauf / 20. Jahrhundert / I: Maria Sevenich, verheiratete Meyer-Sevenich, 1907 als Tochter eines Schmiedemeisters in Köln geboren, Volksschulabschluß und Ausbildung zur Büroangestellten, „Sonderbegabtenreifeprüfung“, Studium der Rechtswissenschaften und Philosophie, Anschluß an den Kommunistischen Jugendverband Deutschlands (KJVD), 1928 Eintritt in die SPD, 1931 Austritt und Mitgründerin der Sozialistischen Arbeiterpartei Deutschlands (SAPD), im folgenden Jahr Übergang zur trotzkistischen Linken Opposition (LO), 1933 Eintritt in die KPD, wegen der Machtübernahme Hitlers Flucht in die Schweiz, dann nach Frankreich, Abwendung vom Kommunismus, Hinwendung zur katholischen Kirche, 1942 verhaftet und erst bei Kriegsende befreit, 1945 Mitgründerin der CDU in Hessen, ab 1947 Abgeordnete des Niedersächsischen Landtags, scharfe Gegnerin jeder Zusammenarbeit mit der marxistischen Sozialdemokratie, 1949 Austritt aus der CDU und Rückkehr in die SPD, 1965 Landesministerin für Bundesangelegenheiten, Vertriebene und Flüchtlinge, 1970 Wiederaustritt aus der SPD wegen der Neuen Ostpolitik und der damit verbundenen Anerkennung der Oder-Neiße-Linie, Wiedereintritt in die CDU kurz vor ihrem Tod 1970.

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Apropos Gendern: „Kaum ein anderes höheres Recht mag es geben als das, kraft welches wir Deutsche sind, als die uns angeerbte Sprache … Zur schmählichen Fessel gereicht es ihr, wenn sie ihre eigensten und besten Wörter hintansetzt und nicht wieder abzustreifen sucht, was ihr pedantische Barbarei aufbürdete.“ (Jakob Grimm: Über das Pedantische in der deutschen Sprache, 1847)

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Felix E. Müller hat in einem Essay (Neue Zürcher Zeitung vom 19. November) die Auffassung vertreten, daß die Endzeitstimmung, die sich politisch links wie rechts, aber auch in der populären wie der gehobenen Kultur ausbreitet, eine religiöse Note habe. Er sieht hier die Nachwirkung christlicher Vorstellungen von Schuld, Strafe, Erlösung und Gericht wirksam. Gegen diese Annahme ist wenig einzuwenden, allerdings handelt es sich eben nicht, wie Müller nahelegt, um ein christliches Spezifikum. Die ältere Völkerkunde wußte jedenfalls noch, daß sogenannte „nativistische“ – auf einen idealen Ursprungszustand – oder „chiliastische“ – auf einen idealen Endzustand – gerichtete Glaubensbewegungen in ganz verschiedenen Zivilisationen aufgetreten sind und regelmäßig zu deren massiver Erschütterung beitrugen.

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Deutscher Lebenslauf / 20. Jahrhundert / II: Alfred Francke-Griksch, 1906 als Sohn eines Kaufmanns in Berlin geboren, Prägung durch die Jugendbewegung, Abbruch des Lehramtsstudiums, 1926 Eintritt in die gerade wieder zugelassene NSDAP, Anschluß an den linken Strasser-Flügel, 1930 Austritt aus der NSDAP und Übergang zur nationalbolschewistisch orientierten Kampfgemeinschaft Revolutionärer Nationalsozialisten (KGRNS) beziehungsweise Schwarzen Front Otto Strassers, 1933 nach Hitlers Machtübernahme Flucht in die Schweiz, später in die Tschechoslowakei, 1934 Bruch mit Strasser, Rückkehr nach Deutschland, Wiedereintritt in die NSDAP, dann in die SS, Verwendung in den Totenkopfverbänden, die der Bewachung der Konzentrationslager dienten, dann ab Kriegsausbruch in der Waffen-SS und im Reichssicherhauptsamt, Teilnahme an der Inspektion von Vernichtungslagern, 1945 Verfasser einer Denkschrift, in der Reorganisationsmöglichkeiten für den Nationalsozialismus nach der Niederlage erwogen wurden, zwischen 1945 und 1947 interniert, mögliche Anwerbung durch den britischen Geheimdienst, Ende der vierziger Jahre Aufbau der Bruderschaft oder Europäischen Bruderschaft Deutscher Nation, die nach außen als Vereinigung ehemaliger Offiziere auftrat, intern aber als eine Art Führungskader zwecks Sammlung von Nationalsozialisten gedacht war, die das politische System der Bundesrepublik infiltrieren sollten; vorrangig war allerdings die Opposition gegen eine militärische Westbindung. Francke-Gricksch nahm Kontakt zur DDR-Führung und zum sowjetischen Geheimdienst auf, was zur Spaltung der Bruderschaft führte, nachdem er ein Zusammengehen mit Stalin im „Rassenkampf“ gegen die USA und China propagiert hatte; trotzdem 1951 bei einem Besuch in Ost-Berlin festgenommen, nach Moskau verbracht und dort 1952 hingerichtet.

Die nächste „Gegenaufklärung“ des Historikers Karlheinz Weißmann erscheint am 9. Dezember in der JF-Ausgabe 50/22.