© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 48/22 / 25. November 2022

Der rote Renner
Kino II: Die finnische Komödie „Grump“ beginnt wunderbar grantig und endet als triviales Rührstück
Dietmar Mehrens

Ey Mann, wo is’ mein Auto?“ ist der Titel eines Filmklamauks aus dem Jahr 2000. Er wäre auch für „Grump – Auf der Suche nach dem Escort“ passend gewesen. Die feinsinnige finnische Komödie nach einem Buch von Tuomas Kyrö versucht das reichlich ausgetretene Genre des „Road Movie“ um ein weiteres Ansichtsexemplar zu bereichern. Typisch für selbiges ist, daß Menschen zwar nicht ohne Ziel, aber meist ohne Plan und meist mit dem Auto durch ein Land fahren und dabei verschiedene leidlich originelle Begegnungen haben.

In Mika Kaurismäkis neuem Film ist Deutschland dieses Land, weil der unglücklich verwitwete Grump (Heikki Kinnunen) hier auf der Suche nach einem Ersatzwagen für seinen nach einem Unfall zwangsverschrotteten roten Ford Escort, Baujahr 1972, fündig zu werden hofft. Als erklärter Plastikkartengegner hat der grantige Querulant (daher der Name Grump) 20.000 Euro Bargeld im Gepäck. Den Vater zweier Söhne um die Vierzig, deren familiäre Nöte Gegenstand zweier Nebenhandlungen sind, verschlägt es zunächst nach Hamburg. Hier gerät der Mittsiebziger aus Finnland aufgrund der Mißverständnissen zuträglichen Sprachbarriere in die rot lackierten Klauen eines „Escort Service“. Hierbei – das muß für sittlich gefestigte Menschen vielleicht angeführt werden – handelt es sich um eine moralisch fragwürdige Dienstleistung aus dem Rotlichtmilieu.

Der Griesgram ergreift also schnellstens die Flucht, wird anschließend von Ganoven ausgeraubt und ist nun auf die Gastfreundschaft seines Bruders Tarmo (Kari Väänänen) angewiesen, den er seit einem Zerwürfnis vor fünfzig Jahren nicht mehr gesehen hat. Gemeinsam setzen die beiden ungleichen Brüder ihre Suche nach dem roten Escort fort. Dabei stellt sich heraus, daß Tarmo eine Tochter hat, die jedoch von ihrem Vater nichts wissen will.

Subversiver Witz und ätzende Zeitkritik haben keinen Platz mehr

Zwar gibt Mika Kaurismäki Kostproben des skurrilen skandinavischen Humors, für den mehr noch als er selbst sein zwei Jahre jüngerer Bruder Aki Kaurismäki („Leningrad Cowboys Go America“, 1989) bekannt geworden ist; doch er erliegt dermaßen der Heile-heile-Seele-Botschaft seines Films, daß, was als Porträt eines zivilisationsfeindlichen Eigenbrötlers und notorischen Nörglers begann, mit zunehmender Spieldauer zum Rührstück verkommt, in dem für subversiven Witz und ätzende Zeitkritik einfach kein Platz mehr ist. Zumindest phasenweise nähert sich „Grump“ damit bedenklich dem Niveau der ZDF-Herzkino-Reihe, mit denen die Mainzer vornehmlich weiblichen Zuschauern Sonntag für Sonntag Tränen der Rührung in die Augen zu treiben versuchen. So schlimm wird es dann am Ende zwar doch nicht. Trotzdem wird man das Gefühl nicht los, daß bei diesem Film die Originalität, die die Werke der Kaurismäki-Brüder normalerweise auszeichnet, irgendwie auf der Strecke geblieben ist. Kann bei „Road Movies“ schon mal passieren.