© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 48/22 / 25. November 2022

Klimatischer Fluch und Segen
Der US-Philosoph Alex Epstein bietet selten gehörte Argumente über die Gefahren, aber auch über die Vorzüge fossiler Energie
Erich Weede

Von seiner akademischen Vorbildung her ist Alex Epstein Philosoph. Er ist aber im Laufe der Zeit zum Energie-Experten geworden und in dieser Eigenschaft auch schon vom US-Kongreß angehört worden. In seinem Buch vertritt er die These, daß menschliches Wohlergehen auch künftig den Konsum von mehr Öl, Kohle und Gas notwendig macht. 

Wie kann ein Philosoph es wagen, eine so ungewöhnliche These zu vertreten? Er wendet sich nicht gegen die naturwissenschaftlichen Forschungen, die den Hintergrund der Berichte des Weltklimarates ausmachen. Er hätte auch keine grundsätzlichen Probleme mit folgender Auffassung: Obwohl der Verbrauch fossiler Energie die Überlebenschancen und die Lebensqualität von Milliarden Menschen qualitativ verbessert hat, könnte es sein, daß eine Nebenwirkung des Konsums fossiler Energien, nämlich steigende CO2-Emissionen, auf Dauer das Klima gefährlich stark aufheizt. Epstein greift weniger die Klimaforschung oder den Weltklimarat an als das, was der Öffentlichkeit und der Politik als Konsens präsentiert und politisch relevant wird. 

Der Nutzen, den der Konsum von fossiler oder auch nuklearer Energie bringt, das Leiden der Milliarden Menschen, die noch keinen Zugang zu kostengünstiger und stetig verfügbarer Energie haben, darf dabei nicht aus den Augen verloren werden. Wo noch wenig fossile Energie verbraucht wird, ist das Leben ungemütlich und der Lebensstandard erbärmlich. Außerdem weist Epstein darauf hin, daß fossile Energie dazu beiträgt, daß wir über Heizung, Klimaanlagen oder Bewässerung mit negativem Klimawandel immer besser fertig werden. 

Zahl der Opfer klimatischer Ereignisse ist zurückgegangen

Entgegen den Erwartungen prominenter Klimaforscher ist das Risiko der Menschen, auf Grund von klimatischen Ereignissen in Not zu geraten oder zu sterben, in den letzten hundert Jahren massiv gefallen, um 98 Prozent. Anders als bei unseren Vorfahren, erlaubt die moderne, auf der Nutzung fossiler Energien beruhende Zivilisation einen Schutz vor schädlichen Klimaereignissen, der in vorindustriellen Zivilisationen nicht denkbar war: sturmfeste Gebäude mit Heizung und Klimaanlagen, warme Kleidung für alle und Transportmöglichkeiten, um bei Dürren Nahrungsmittel über große Entfernungen zu transportieren. Deshalb ist die Zahl der Opfer relativ zur Bevölkerung klimatischer Ereignisse in den letzten hundert Jahren auch so dramatisch zurückgegangen. 

Fossile Energien haben eine hohe Energiedichte, sind nicht nur für die Elektrizitätserzeugung, sondern auch für andere Zwecke (Wärme und Transport) brauchbar und im Gegensatz zu Wind- und Sonnenenergie nach Bedarf verfügbar. Außerdem ist unsere Wirtschaft im Laufe der Jahrzehnte auf deren Verfügbarkeit hin ausgerichtet worden; viele Erfindungen haben deren Anwendungsmöglichkeiten verbessert. Grüne Alternativen, wie Sonne und Wind, eignen sich erstens meist nur für die Elektrizitätserzeugung, gibt es zweitens nur dank staatlicher Subventionen und Mandate und verteuern drittens die Elektrizitätspreise – wie in Deutschland unter dem EEG spürbar.  

Im dritten Teil des Buches beschäftigt sich Epstein mit den negativen Vorhersagen vieler Klimaforscher. Er beginnt mit den Hinweisen, daß das Klima immer schon variabel war, bevor der Mensch über die Nutzung fossile Energien das Klima beeinflussen konnte, daß die Welt schon wesentlich höhere Temperaturen und auch viel höhere CO2-Konzentrationen erlebt hat, als wir in absehbarer Zeit erreichen können. Generell sieht Epstein bei prominenten Sprechern der Klimaforschung eine Neigung zur Überschätzung der Effekte des Klimawandels und zur Vorhersage von Katastrophen. 

Epstein schließt mit einem Plädoyer für eine auf der Nutzung fossiler Energien aufbauende Zukunft. Der Westen sollte seine Umweltstandards deshalb nicht in arme Länder exportieren wollen. Wenn die westlichen Demokratien versuchen, CO2-Emissionen zu minimieren oder ganz zu vermeiden, werden Länder wie China, Indien oder Rußland dem nicht folgen. Dann wird das nur das wirtschaftliche und auf Dauer auch das militärische Gewicht des freiheitlichen Westens in der Welt verringern. Apokalyptische Vorstellungen hat Epstein weniger beim Klima oder den CO2-Emissionen als bei den Schäden, die die Klimapolitik des Westens anrichtet. Epstein hält es aber für möglich, die dominante und irregeleitete öffentliche Meinung und Politik noch zu korrigieren, versteht sein Buch als Beitrag dazu und macht dem Leser Vorschläge für umweltpolitische Diskussionen. 

Alex Epstein: Fossil Future. Why Global Human Flourishing Requires More Oil, Coal, and Natural Gas – Not Less. Verlag Portfolio/Penguin New York 2022, gebunden, 468 Seiten, 30 Euro