© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 48/22 / 25. November 2022

In Afrika den Energiehunger stillen
Wie der Ukrainekrieg die Natur im Kongobecken bedroht / Neue Quellen als Ersatz für russisches Öl und Gas?
Christoph Keller

Die Regierung der Demokratischen Republik Kongo (Zaïre) hat beschlossen, maximalen Gewinn aus dem Ukraine-Krieg und den Sanktionen zu schlagen. Darum versteigert sie seit drei Monaten Lizenzen an internationale Energiekonzerne, die im Kongobecken Erdöl und Erdgas fördern wollen. Dafür sind 30 Parzellen mitten im Moorgebiet des Kongobeckens ausgewiesen, einem Territorium, das 167.600 Quadratkilometer umfaßt – eine Fläche, etwa halb so groß wie die Bundesrepublik Deutschland. Der Torf reicht bis zu 5,60 Meter tief und speichert etwa 29 Milliarden Tonnen Kohlenstoffverbindungen (PgC; Nature Geoscience 15/22). Das entspricht der globalen CO2-Emission aller fossilen Brennstoffe von drei Jahren.

Würden diese Moore zerstört oder signifikant beeinträchtigt, warnt der britische Ökologe Bart Crezee (University of Leeds), dürften die gespeicherten Treibhausgase in die Atmosphäre gelangen und die Erde zusätzlich erwärmen. Mit der Versteigerung der ersten Lizenzen hat sich diese Gefahr für den deutschen Umweltjournalisten Roman Goergen nunmehr konkretisiert (Natur, 11/22).

Kongolesische Politiker vermuten unter den Parzellen bis zu 16 Milliarden Barrel Erdöl, die aktuell auf den internationalen Energiemärkten 650 Milliarden Dollar einbrächten. Geld, das nach Goergens Einschätzung in einem der „korruptesten Staatsapparate der Welt“ verschwinden würde, so wie bislang die Einnahmen aus Kinshasas regem Handel mit Diamanten, Kupfer und Kobalt. Der 108-Millionen-Bevölkerung eines der ärmsten Länder der Erde käme es jedenfalls nicht zugute.

Versicherungen von Kongos Präsident Félix Antoine Tshisekedi, wonach moderne Drilltechnik und strenge Regulationen die Schäden der Öl- und Gasförderung im Regenwald auf ein Minimum begrenzen würden, hält der Ökologe Crezee für unglaubwürdig. Weil es einfach keinen Weg gebe, in diesem Raum umweltverträglich fossile Energien zu erschließen. Auch scheine Tshisekedi verdecken zu wollen, daß zwei Parzellen im Virunga-Nationalpark liegen, der zum Unesco-Welterbe zählt. Bereits 2014 hätten Ölkonzerne dort Förderprojekte begonnen, mußten sich aber nach internationalen Protesten zurückziehen. Wie damals sorgt sich nun die Weltnaturschutzunion IUCN um die Primaten der Region, in Virunga und in der kleineren Republik Kongo (Brazzaville). Hätten die Konzessionen, so sei zu befürchten, doch erheblichen Einfluß auf die dort vorkommenden Menschaffenarten – Bonobos, Flachlandgorillas, Berggorillas und Schimpansen. Wenn für die geplante Exploration Straßen gebaut würden, kehrten auch Wilderei, Abholzung und andere Umweltzerstörungen in diese derzeit schwer zugänglichen Primatengebiete ein.

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