© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 49/22 / 02. Dezember 2022

Die eigene Klientel versorgen
Von Protzbauten über neue Beamtenposten: Die Ampelregierung wirft mit Geld um sich
Ulrich van Suntum

Die Grünen wollen immer alles besser machen. Nachdem sie zum zweiten Mal die Gipfel der Macht erklommen haben, treiben sie es schlimmer als die Regierungen zuvor. Schon unter Angela Merkel war es zu einer Aufblähung des Regierungsapparates gekommen. Allein in den Bundesministerien arbeiten heute fast 60 Prozent mehr Beamte als noch vor zehn Jahren. Auch insgesamt ist die Zahl der Beschäftigten im Öffentlichen Dienst viel stärker gestiegen als in der freien Wirtschaft. Seit 2008 hat sie um gut elf Prozent auf jetzt fast fünf Millionen zugenommen. 

Die Ampel setzt jetzt aber noch einen obendrauf. Im Bundeshaushaltsplan 2023 ist der Aufbau von nochmals 4.769 neuen Stellen für die Bundesministerien und ihre Behörden vorgesehen. Insgesamt wären damit von der neuen Regierung seit ihrem Amtsantritt mehr als 10.000 neue Posten geschaffen worden. Auch wenn anderswo 3.100 Stellen eingespart wurden – unter dem Strich bleibt damit ein Plus von rund 7.000 zusätzlichen Staatdienern allein beim Bund. Am stärksten profitieren davon die Grünen, allen voran die Ministerien von Robert Habeck und Annalena Baerbock.

Aber das ist nur die Spitze des Eisbergs. Ein Vielfaches davon fließt über zahllose Zuschüsse, Programme und Sondertöpfe an alle möglichen grünen und woken Klübchen und Institutionen. Die Grünen verstehen es glänzend, ihre Klientel zu versorgen und damit zugleich ihre eigene Machtbasis abzusichern. Zuletzt sickerte etwa durch, daß zwei Millionen Euro an ein „Seenotrettungsbündnis“ geflossen sind, dessen Vorsitzender der Lebensgefährte der grünen Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt ist. Früher nannte man das Günstlingswirtschaft. Heute stehen solche Aktionen unter Flaggen wie Klimaschutz, Antirassismus, Demokratiestärkung oder einfach „Kampf gegen Rechts“.

Zwar sind viele der neuen Stellen auch für Bundespolizei und Grenzschutz vorgesehen. Aber dafür an anderer Stelle entsprechend einzusparen, kommt der Ampel nicht in den Sinn. So hat sich der Etat der „Antidiskriminierungsstelle“ seit 2021 mehr als verdreifacht. Je intensiver aber nach angeblichen Mißständen gesucht wird, desto mehr findet man auch – eine Art Bürokratie-Perpetuum-mobile. Am Ende glaubt die Regierung dann womöglich selbst an die Ideologien, die sie in die Welt gesetzt hat.

Auch der Aufwand für das Regieren läuft völlig aus dem Ruder. Das beginnt schon beim Bundestag, der laut Gesetz eigentlich „nur“ 589 Sitze haben sollte. Zum Vergleich: Sogar der amerikanische Kongreß mit Senat und Repräsentantenhaus hat lediglich 535 Sitze, und das Schweizer Parlament kommt mit weniger als der Hälfte (246) aus. Tatsächlich ist der Bundestag mit 736 Abgeordneten noch viel größer als vorgesehen, unter anderem wegen der vielen Überhangmandate.

Nach China haben wir damit das zweitgrößte Parlament auf diesem Planeten. Das ist zwar nicht nur die Schuld der Ampelparteien, aber dagegen unternommen hat sie bisher auch nicht viel. Derzeit entsteht statt dessen mit der Erweiterung des Kanzleramts ein neuer Protzbau. Er wurde zwar bereits unter Angela Merkel beschlossen, hätte aber von der neuen Regierung durchaus bescheidener ausgelegt werden können. Sowohl der Bundesrechnungshof als auch der Bund der Steuerzahler mahnten das an – vergeblich. Statt dessen explodieren auch hier die Kosten. Statt der ursprünglich vorgesehenen 600 Millionen sind es inzwischen 777 Millionen Euro, die dafür veranschlagt werden. 

Nach der Erweiterung wird das Kanzleramt etwa achtmal so groß sein wie das Weiße Haus in Washington. Es ist übrigens das einzige öffentliche Gebäude, das trotz der Energiekrise abends noch in hellem Scheinwerferlicht erstrahlt. Da paßt es nur ins Bild, daß auch Wirtschaftsminister Habeck für einen persönlichen Hof-Fotografen mal eben 400.000 Euro ausgeben möchte. Früher hätten die Grünen uns vorgerechnet, wie viele Kita-Essen man davon bezahlen könnte. Aber diese Zeiten sind vorbei. Längst agieren sie selbst wie einstmals der französische Sonnenkönig: Mag das Volk ruhig darben, Hauptsache, bei Hofe floriert das Leben.

Die Ausgabenorgien haben durchaus einen ernsten Hintergrund. Letztlich sind sie das Spiegelbild der wachsenden Einflußnahme des Staates auf alle Lebensbereiche. Dieser nahm schon unter Merkel bedenkliche Formen an. Sie sprach zwar noch von Marktwirtschaft, hielt aber letztlich nicht viel davon. Auch das sogenannte Nudging, die gezielte staatliche Einflußnahme auf das Denken der Menschen, hatte unter ihrer Regierung begonnen. Die Ampelregierung allerdings stellt ihr bedenkliches Agieren in dieser Hinsicht noch weit in den Schatten. Auffälligster Beleg dafür ist das inzwischen fast allgegenwärtige Gendern in den öffentlichen Schulen, Universitäten, Sendern und Verwaltungen. Die Agenda der links-grünen Regierung wird mit allen Mitteln durchgesetzt, entgegen dem erklärten Mehrheitswillen und dem normalen Sprachgebrauch der Bürger. Ähnlich ist es bei den Themen Corona, Klimaschutz, Einwanderung und „Wokeness“. Faktisch wird hier nur noch die amtliche Sichtweise toleriert. Ob in Kindergärten, Schulen oder Universitäten – wer sich der offiziellen Sichtweise und Sprachregelung widersetzt, riskiert den Rauswurf und das Ende seiner Karriere. 

Die Durchsetzung von all dem erfordert natürlich entsprechende Ressourcen, sowohl an Geld als auch an Personal. Das gleiche gilt für den Umbau der Wirtschaft in eine „ökologisch soziale Marktwirtschaft“, wie er im Koalitionsvertrag vorgesehen ist. Tatsächlich nimmt diese Transformation immer planwirtschaftlichere Züge an.

Ob Energiewende, Verkehrswende, Klimaschutz oder Energiesparen – der Markt bleibt meist ein bloßes Lippenbekenntnis. An erster Stelle stehen statt dessen immer schärfere Vorschriften und Verbote. Der Zwang zur Photovoltaik, das Gebot des Einbaus neuer Heizungen, die Durchsetzung der Elektromobilität – all dies will aber erst einmal in Gesetze gegossen und exekutiert werden. Insoweit liegt es in der Logik der Sache, daß eine autoritär agierende Regierung auch die Bürokratie entsprechend aufbläht. Im merkantilistischen Wirtschaftssystem absolutistisch regierter Staaten war es nicht anders. 

Der liberale Ökonom Adam Smith hat dies 1776 in seinem Buch „Der Wohlstand der Nationen“ anschaulich beschrieben. Das Wohl des Volkes zählte wenig, Maß aller Dinge waren statt dessen die Interessen der Fürsten. In eine ähnliche Richtung bewegen wir uns heute wieder. Privates Denken und Handeln wird zwar noch geduldet, aber nur wenn es mit den staatlichen Vorgaben übereinstimmt.