© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 49/22 / 02. Dezember 2022

Wer hat noch nicht, wer will nochmal?
Einbürgerung: Innenministerin Faeser plant, daß ausländische Staatsangehörige noch einfacher Deutsche werden können
Peter Möller

Warum ausgerechnet jetzt? Diese Frage stellen sich dieser Tage viele politische Beobachter in Berlin angesichts der Pläne von Bundes-innenministerin Nancy Faeser (SPD) zur Reform des Staatsbürgerschaftsrechts. Ende vergangener Woche hatte die Bild-Zeitung darüber berichtet, daß Faeser in ihrem Ministerium an weitreichenden Plänen arbeiten läßt, die es Ausländern ermöglichen sollen, früher und einfacher als bisher die deutsche Staatsangehörigkeit zu erlangen. Irgend jemand aus dem Innenministerium hatte die bislang nur für den internen Gebrauch vorgesehenen Pläne an die Presse weitergegeben und damit eine breite Diskussion bis hinein in die Ampel-Koalition ausgelöst.

Die Pläne für eine Staatsbürgerschaftsreform sehen laut Bild unter anderem vor, daß Kinder von Ausländern, die hier geboren wurden, den deutschen Paß erhalten, wenn die Mutter oder der Vater seit fünf Jahren einen „rechtmäßigen gewöhnlichen Aufenthalt“ in Deutschland hatten. Derzeit liegt die Hürde bei acht Jahren. Durch diese Neuregelung würden beispielsweise alle Kinder von Syrern oder Afghanen, die während der Flüchtlingswelle 2015/2016 in das Land kamen, automatisch Deutsche.

Auch für Erwachsene soll der Erwerb der deutschen Staatsbürgerschaft künftig deutlich schneller möglich sein. Nach den Plänen von Faeser müssen Ausländer in Zukunft nicht mehr acht Jahre in Deutschland gelebt haben, bis sie eingebürgert werden dürfen. In Ausnahmefällen, etwa wenn sich ein Ausländer bereits besonders integriert hat und sich beispielsweise ehrenamtlich engagiert, sollen sogar drei Jahre bis zur Einbürgerung reichen.

Die vermutlich weitreichendste Änderung in den Plänen des Innenministeriums betrifft die Frage der doppelten Staatsangehörigkeit. Bisher sind Neu-Deutsche in der Regel verpflichtet, bei der Einbürgerung ihre bisherige Staatsbürgerschaft aufzugeben. Diese Pflicht soll künftig entfallen, wodurch der Doppelpaß bei eingebürgerten Migranten in vielen Fällen zur Normalität werden würde.

Umsetzen, was im Koalitionsvertrag steht

Erleichterungen sind auch für Rentner aus der ersten Gastarbeiter-Generation vorgesehen. Ab dem 67. Lebensjahr müssen keine schriftlichen Sprachtests mehr absolviert werden, wenn der deutsche Paß beantragt wird. Die „Fähigkeit zur mündlichen Verständigung“ soll künftig ausreichen. Auch der bislang geforderte Wissens-Test über Deutschland entfällt für diese Gruppe. Für Analphabeten aller Altersgruppen ist laut den Plänen eine „Härtefallregelung“ (ebenfalls ohne Prüfungen) vorgesehen.

Als besonders gravierend könnte sich der Passus erweisen, nach dem keine „Einordnung“ der Migranten „in die deutschen Lebensverhältnisse“ mehr verlangt wird. Bislang prüfen die Behörden beispielsweise, ob die Antragsteller womöglich mit mehreren Ehefrauen gleichzeitig verheiratet sind. Künftig wäre dieser Umstand für eine Einbürgerung irrelevant.

Die Pläne, von denen nach Schätzungen von Experten über zwei Millionen Ausländer in Deutschland profitieren würden, sorgten im politischen Berlin bei Bekanntwerden für erhebliche Aufregung. Während die Kritik von Union und AfD erwartbar war, sorgten die ablehnenden Stimmen aus der FDP für Verwunderung. Denn im wesentlichen hat Faeser in ihrem Gesetzentwurf, der dem Vernehmen nach noch vor Weihnachten im Kabinett behandelt werden soll, die Vereinbarungen aus dem Koalitionsvertrag zwischen SPD, Grünen und FDP umgesetzt. Dort heißt es beispielsweise auf Seite 94: „Eine Einbürgerung soll in der Regel nach fünf Jahren möglich sein, bei besonderen Integrationsleistungen nach drei Jahren.“ Außerdem sollen künftig doppelte Staatsbürgerschaften erleichtert werden.

FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai lehnte die Pläne von Faeser daher auch nicht grundsätzlich ab. Aber jetzt sei „nicht der Zeitpunkt für eine Vereinfachung des Staatsbürgerschaftsrechts“, sagte er der Rheinischen Post. „Es gibt bisher keinerlei Fortschritte bei der Rückführung und Bekämpfung der illegalen Migration.“ Die Ampel dürfe „den zweiten Schritt nicht vor dem ersten machen“. Der Generalsekretär der CDU, Mario Czaja, warnte ebenfalls in der Rheinischen Post davor, den deutschen Paß zu entwerten. Es müsse weiter gelten: „erst Integration, dann Staatsbürgerschaft“. Die Verleihung der deutschen Staatsangehörigkeit stehe daher am Ende, „nicht am Anfang eines Integrationsprozesses“. 

Grundsätzlicher fiel die Kritik der AfD aus. Der innenpolitische Sprecher der Bundestagsfraktion, Gottfried Curio, warnte vor einer Entmündigung der deutschen Bürger: „Die Ampel will jetzt endgültig Fakten schaffen und mit den seit der Grenz-öffnung 2015 importierten und alimentierten Ausländern auch endlich ihre Wahlen steuern.“





Staatsbürgerschaft

Eine eigenständige deutsche Staatsangehörigkeit existiert erst seit 1934. Zuvor gab es eine (preußische, bayerische etc.) Landeszugehörigkeit, die mittelbar die Reichsangehörigkeit begründete. Heute gilt in der Regel das Abstammungsprinzip (Ius sanguinis): Deutscher ist, wessen Eltern deutsche Staatsangehörige sind. Hinzu kann durch Naturalisation – die Einbürgerung – ein deutscher Paß erworben werden. Mit der 1999 eingeführten Reform ist dies bereits erheblich erleichtert worden.