© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 49/22 / 02. Dezember 2022

Ländersache: Niedersachsen
Verlierer fechten Wahl an
Christian Vollradt

Daß die Hauptstädter in Kürze zur Wahlwiederholung antreten müssen – oder dürfen –, ist ausgemacht. Doch blüht den Niedersachsen, die gerade erst im Oktober ihre Kreuzchen in die Urnen werfen konnten, bald dasselbe Schicksal? Zumindest wenn es nach dem Willen zweier Politiker der FDP geht. Die Liberalen hatten bei der Landtagswahl vor zwei Monaten lediglich 4,7 Prozent der Zweitstimmen erhalten und so den Wiedereinzug ins Hannoveraner Leineschloß knapp verfehlt. Nun fechten der frühere FDP-Landtagsabgeordnete Marco Genthe sowie ein weiteres Parteimitglied die Wahl an.  

Begründet wird das aber nicht etwa mit chaotischen Abläufen oder falschen Stimmzetteln wie in Berlin, sondern mit dem angeblichen Fehlverhalten eines Mitbewerbers, konkret: der AfD. Deren Landeswahlvorschlag sei nicht in einer freien, demokratischen und geheimen Wahl erfolgt, so das Argument der beiden Antragsteller. Dabei nehmen sie Bezug auf Vorwürfe des ehemaligen AfD-Abgeordneten Christopher Emden. Der einstige stellvertretende Landesvorsitzende hatte die AfD im Streit verlassen und nach seinem Austritt Bestechungsversuche in den Raum gestellt: so hätte er sich für den Fall einer erneuten Landtagskandidatur Stimmen kaufen müssen, behauptete Emden seinerzeit; auch daß ein Vorstandsmitglied zu diesem Zweck „schwarze Kassen“ angelegt habe. Daraufhin leitete die Staatsanwaltschaft Osnabrück Ermittlungen ein. Das Verfahren wurde mittlerweile eingestellt.

Die AfD, die 11 Prozent in Niedesachsen holte und nun wieder in Fraktionsstärke vertreten ist, sieht in der Anfechtung eine „Posse“ von Wahlverlierern. Nur mit Kopfschütteln könne man die Aktion der FDP-Politiker zur Kenntnis nehmen, meinte der Landesvorsitzende Frank Rinck. „Die Wahlniederlage muß sehr schmerzen, wenn abgewählte Abgeordnete jetzt auf solche offensichtlichen Lügenstorys setzen.“ Der Wahlanfechtung sehe man gelassen entgegen. Die Listenwahl bei der Aufstellungsversammlung sei „zu einhundert Prozent ordnungsgemäß verlaufen“, so Rinck.

Für Ärger ganz anderer Art sorgt unterdessen das, worauf sich die rot-grünen Koalitionäre gemeinsam mit der neuerdings oppositionellen CDU geeinigt haben, nämlich die Aufstockung des Landtagspräsidiums von vier auf fünf Vizes. Dadurch bekommen SPD und CDU je zwei Stellverteterposten, und die Grünen einen. Den Kandidaten der AfD, Klaus Wichmann, nicht zu wählen, hatten die drei Fraktionen schon im Vorfeld bekanntgegeben.

Daß in der aktuellen Krise mit Energiepreissteigerungen und Inflation die Landespolitik sich noch einen Schluck mehr aus der Pulle genehmigt, sorgt vor allem außerhalb des Parlaments für Kopfschütteln. Immerhin bekommen die Vizepräsidenten jeweils einen 40prozentigen Zuschlag auf ihre Abgeordnetendiäten von monatlich 7.485 Euro. Der Landesvorsitzende des Steuerzahlerbundes, Bernhard Zentgraf, forderte, wenigstens diese Zulage auf 32 Prozent zu kappen. So könnten innerhalb dieser Legislaturperiode Mehrkosten von insgesamt 180.000 Euro gespart werden. Verzichten müssen die Vizes dennoch: Sie bekommen – anders als von der CDU gewünscht – weiterhin keinen eigenen Dienstwagen.